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Kultur: Das Rundum-sorglos-Paket

Der Berliner Veranstalter Peter Schwenkow über Klassik- und Popstars, Renditensicherheit und Subventionen

Herr Schwenkow, heute Abend präsentieren Sie in der Waldbühne die drei derzeit bekanntesten Opernstars der Welt. Wie kommt dieses Konzert nach Berlin?

Der 7. Juli war der spielfreie Freitag vor dem Finale der Fußball-WM in Italien 1990. Da wurden die drei Tenöre erfunden. Und nach sechzehn Jahren ist der 7. Juli eben wieder genau dieser Freitag. Da muss man doch etwas Verrücktes machen, hier in der Waldbühne, direkt neben dem Olympiastadion, wo das Endspiel stattfindet! Also haben wir Anna Netrebko, Rolando Villazón und Placido Domingo angerufen: Denkt doch mal über diese Idee nach. Innerhalb von 48 Stunden haben alle drei zugesagt. Meine Aufgabe war, das Fernsehen mit ins Boot zu bekommen. Nicht nur das ZDF wird übertragen, sondern auch Kanäle in Österreich, Frankreich, Norwegen, Italien, ganz Südamerika. Wir können mit bis zu 100 Millionen Zuschauern rechnen.

Wer live dabei sein will, muss tief in die Tasche greifen. Die Preise beginnen bei 88 Euro.

Erstens werden wir nicht subventioniert, zweitens ist der Aufwand gigantisch in wirklich jeder Beziehung, und drittens ist die Veranstaltung einmalig. Ich glaube kaum, dass wir noch einmal so eine Kombination hinbekommen.

Gestern startete „Classic Open Air“ auf dem Gendarmenmarkt. Bislang war der Auftritt eines Opernstars immer der Höhepunkt dieses Festivals, diesmal gibt es dort keinen reinen Klassikabend. Schnappen Sie der Konkurrenz alle Stars weg?

Am Ende des Tages ist es immer die Entscheidung des Künstlers, wo er auftreten möchte. Doch diese Entwicklung hat sich ja abgezeichnet. Das Programm von „Classic Open Air“ ist immer populärer geworden, dann immer weniger starlastig. Gerhard Kämpfe, der Veranstalter, arbeitet sehr zielgruppenspezifisch – und hat festgestellt, dass Udo Jürgens noch besser ankommt. Also passt er sein Programm dem Publikumsgeschmack an.

Damit kommt er Ihnen also nicht in die Quere ?

Herr Kämpfe geht mehr in die breitere André-Rieu-Masse rein, während „Deag Classics“ den Anspruch erhebt, den Top 20 des internationalen solistischen Kulturbetriebes ein Zuhause zu bieten. 2004 habe ich bei einem Klassikkonvent gesagt: Ich „rieche“, dass es einige Klassikkünstler gibt, die in den kommenden Jahren Popstars werden. Die HardcoreFeuilletonisten riefen damals, das wäre ja grausam mit dem ganzen Open-Air-Kram und so. Alle anderen sagten: Glauben wir nicht, wäre aber toll. Nun habe ich ja keine hellseherischen Fähigkeiten gehabt, sondern wir haben hart dafür gearbeitet, dass es heute so eingetreten ist. Seit 18 Monaten gibt es in jeder „Wetten, dass..?“-Sendung einen Klassikkünstler. „Wetten, dass..?“ macht sensationelle Erfahrungen damit, ob nun mit Anne-Sophie Mutter, Cecilia Bartoli oder Netrebko und Villazón – die Quoten sind toll.

Das Massenmedium Fernsehen tritt eine neue Welle los?

Anna Netrebko hat von ihrem „Sempre libera“-Album über 100 000 Stück verkauft, die „Traviata“ ist schon 200 000 Mal über den Ladentisch gegangen, der DVD-Mitschnitt der Verdi-Oper war bei Erscheinen Gold! Da kann es ja nicht sein, dass nur die über Sechzigjährigen plötzlich aufgewacht sind. Seit es mehr junge Stars gibt, interessieren sich zunehmend auch jüngere Leute dafür. Ich habe nichts gegen „Deutschland sucht den Superstar“, doch ich freue mich, wenn die Kids die Klassik à la Netrebko und Villazón entdecken und die Älteren sagen, diese Unbekümmertheit, diese Freshness der Künstler, diese Impulsivität, gepaart mit höchster Qualität, das ist etwas, was wir auch mögen. Ich bin optimistisch, dass zum Beispiel der 7. Juli die höchste Einschaltquote für einen Klassikabend im ZDF überhaupt bringen wird.

Also stimmt Ihre These, dass Klassik höhere Rendite bringt als Popmusik?

Wenn Sie heute in Britney Spears investieren, haben Sie zwei Probleme: Erstens wissen Sie nicht, ob Britney wieder zu Ihnen zurückkommt, und zweitens, in welchem Zustand sie sich befindet, wenn sie auf Tournee geht. Das ist bei der Klassik ganz anders. Wir haben bereits in 2004 Verträge mit Anna Netrebko bis 2008 abgeschlossen. Wir haben ihr einen eigenen Presseservice eingerichtet, wir kümmern uns um die Vernetzung der Öffentlichkeitsarbeit, machen Programmhefte, die doppelt so groß und dreimal so schön sind wie üblich – Sie müssen eben das Produkt, das Sie unsubventioniert dem Konsumenten anbieten, lieben. Nur dann stecken Sie so viel Geld rein, dass der Kunde es auch mag. Wenn dann auch noch Plattenfirma und Veranstalter strategisch zusammenarbeiten, bekommt der Star ein Rundum-sorglos-Paket. Darum gibt es zunehmend Künstler, die diese Form von Service von uns haben wollen, die uns sagen: Veranstaltet meine Konzerte, kümmert euch um meine Karriere – und die im Gegenzug bereit sind, für eine geringere Gage aufzutreten. Das ist die betriebswirtschaftlich interessante Seite bei diesem Geschäft. Wir bereiten zurzeit Tourneen mit Lang Lang, Renée Fleming, Hilary Hahn, Nigel Kennedy, Anna Netrebko und Rolando Villazón vor.

Beschweren sich die konventionellen Klassikveranstalter bei Ihnen?

Natürlich. Wir sind im Januar 2004 als „Deag Classics“ mit dem Netrebko-bang gestartet und haben dadurch manche aufgeweckt. Da gibt’s einige, die sich schmollend verziehen, und andere, die sagen: If you can’t beat them join them.

Zur Abgeordnetenhauswahl im September treten Sie als Kandidat der CDU an – auch als Kämpfer gegen Kultursubventionen?

Ich bin ein Verfechter von Subventionen – und zwar aus einem völlig anderen Grund, als man gemeinhin vermutet: Es wird immer bestimmte Formen von neuer Kultur geben, die einfach eine Anschubfinanzierung benötigen. Und es gibt einen weiteren Aspekt: An dem Tag, an dem die Subventionen eingestellt werden würden, wird mit uns unsubventionierten Veranstaltern dasselbe passieren wie mit den privaten Krankenkassen. Man wird sagen: Nun führt ihr, die ihr gutes Geld verdient, mal bitte den „Subventionstaler“ ein. Das wollen wir unseren Kunden nicht zumuten. Einen Bereich allerdings gibt es, da schwillt mir der Kamm: dass ein frei im Entertainment tätiges Unternehmen wie der Friedrichstadtpalast Staatsgelder bekommt, um uns dann mit seinen subventionierten Preisen Konkurrenz zu machen. Dieses Geld kann man definitiv besser ausgeben – zum Beispiel, um die vom rot-roten Senat abgewickelten Berliner Symphoniker zu finanzieren.

Das Gespräch führte Frederik Hanssen.

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