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Kultur: Das Silvische Mittelalter

Wenn wahr ist, dass Fußball-Erfolge die amtierende Regierung stabilisieren, hat die italienische Opposition bei den Wahlen am 9. April nichts zu lachen.

Wenn wahr ist, dass Fußball-Erfolge die amtierende Regierung stabilisieren, hat die italienische Opposition bei den Wahlen am 9. April nichts zu lachen. Dann könnte der Mann, der seine Karriere als Entertainer auf Kreuzfahrtschiffen begann und später ins Bau- und Mediengeschäft einstieg, tatsächlich Ministerpräsident bleiben. Obwohl man in Italien schon jetzt gern in der Vergangenheitsform von der Ära Berlusconi spricht.

Gerade hat der Regisseur Roberto Benigni erklärt, sein Ministerpräsident langweile ihn mittlerweile. Ein Todesurteil von einem Komiker. Der amerikanische Journalist Alexander Stille meint in „Citizen Berlusconi“ (C.H. Beck) allerdings, dass man den neuen italienischen Politiker-Typus gar nicht ernst genug nehmen kann. Schon weil er mit seiner Aushöhlung demokratischer Regeln mittels Medienmacht weltweit Schule machen könnte. Die meisten italienischen Schriftsteller – von Umberto Eco über Antonio Tabucchi bis Claudio Magris – sehen das ähnlich. Nun hat ein junger Mann ein Buch geschrieben, das literarisch, aber auch politisch für Furore sorgte. Dabei erzählt Alessandro Piperno in seinem Debütroman „Mit bösen Absichten“ (S. Fischer) eigentlich nur eine Familiengeschichte aus dem jüdisch-katholischen Großbürgertum in Rom. Aber wie! Nach dem Krieg hatte Großvater Bepy Sonnino ein beträchtliches Vermögen angehäuft, das in den Achtziger Jahren einem grandiosen Bankrott zum Opfer fällt. Bepy, der Hitler entging, machte aus seinem Leben eine bombastische Selbstinszenierung mit ungebremster Geltungssucht, sexuellen Ausschweifungen und Skrupellosigkeiten aller Art. Sein Enkel Daniel ist der Letzte der Sippe und Erzähler der Geschichte. Wie er mit großer Sprachleidenschaft die römische Schickeria bloßstellt, ist schon lesenswert. Und wie er in einem Crescendo der politischen Unkorrektheit seinen dekadenten jüdischen Familienclan schildert, ist äußerst provokativ. Klar, dass das rechte Feuilleton applaudierte. Auf welche politische Seite sich der schillernde Piperno schlägt, ist allerdings schwer zu sagen. Vielleicht erfährt man heute (20 Uhr) im Kino der Kulturbrauerei mehr darüber (Schönhauser Allee 36, Prenzl’ Berg).

Bei Stefano Benni , der die Ära Berlusconi einmal „das „Silvische Mittelalter“ genannt hat, sind die politischen Präferenzen klar. Seit „Terra!“ (1983) arbeitet er an satirischen Gesellschaftsanalysen. Am 19.3. (11 Uhr) stellt er seinen neuen Roman „Der schnellfüßige Achilles“ (Wagenbach) im Berliner Ensemble vor (Bertolt-Brecht-Platz 1, Mitte). Im Zentrum steht die Freundschaft des behinderten Schriftstellers Achilles mit seinem Lektor Ulysses. Vor homerischer Folie wird verhandelt, wie man dem Schicksal begegnet. Glücklicherweise sind Ministerpräsidenten keine Frage göttlicher Ratschlüsse, sondern demokratischer Wahlbeschlüsse.

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