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Kultur: Das Stabwerk (Kommentar)

Mit vielen Vorschusslorbeeren ist der Entwurf für den Neubau der "Topographie des Terrors" bedacht worden. Der Schweizer Architekt Peter Zumthor ging 1993 mit seinem Entwurf einer von ihm "Stabwerk" genannten Konstruktion als Sieger aus dem Ideenwettbewerb hervor.

Mit vielen Vorschusslorbeeren ist der Entwurf für den Neubau der "Topographie des Terrors" bedacht worden. Der Schweizer Architekt Peter Zumthor ging 1993 mit seinem Entwurf einer von ihm "Stabwerk" genannten Konstruktion als Sieger aus dem Ideenwettbewerb hervor. Begonnen wurde der Bau 1997, aber er geriet ins Stocken; im neuen Jahr ist auf der Baustelle neben dem Martin-Gropius-Bau noch kein Beton gegossen worden. Und jetzt gerät das Vorhaben insgesamt in Schieflage: Die Bauverwaltung rechnet inzwischen mit Mehrkosten in Höhe von 25 Millionen Mark - bei einer Bausumme von 45 Millionen eine Kostensteigerung von mehr als fünfzig Prozent.

Das Problem sind die Betonpfeiler. Mehrere Hundert von ihnen, jeweils acht Meter hoch, sollen das Gerüst des Hauses bilden, wie eine Holzkonstruktion aus Pfosten und Bindern. Peter Zumthor hat sich zu Beginn seines Berufsweges der vernachlässigten Holzarchitektur seiner Graubündner Heimat gewidmet, später dann selbst in Holz gebaut, so die großartige Kapelle von Son Benedetg. Überhaupt hat der knorrige Zumthor die Materialien genommen, die er vorfand, grünen Gneis etwa für das Thermalbad in Vals. Mit den ausgeführten Bauten kam der Ruhm, mit ihm kamen die Aufträge; aus dem im besten Sinne regionalen Baumeister wurde ein weltweit gefragter Architektenstar. Seine Arbeitsweise ist die alte geblieben. Er arbeitet für sich, er ist hartnäckig und wohl auch stur. Der Berliner Entwurf, auf den Skizzen des Baumeisters unmittelbar überzeugend, stellt Anforderungen, vor denen Baufirmen offenbar kapitulieren. Planungsanpassungen haben nichts gefruchtet; die bereits um zwei Jahre verschobene Fertigstellung wird sich weiter verzögern, die Rede ist von vier Jahren. Den Schaden hat das Dokumentationszentrum "Topographie des Terrors", das, aus einer provisorischen Schutzhütte entstanden, ein architektonisch herausragendes Domizil zu erhalten hoffte -und erst einmal vor einer Bauruine steht. Vergleiche zu den Komplikationen beim Bau des Jüdischen Museums drängen sich auf. Entfernen sich die Star-Architekten womöglich zu weit von der nüchternen Realisierbarkeit ihrer Visionen? Sind Preisgerichte außerstande, drohende Probleme zu erkennen? Prüft die Bauverwaltung nicht sorgfältig genug? Vertrauen alle Seiten auf die finanzielle Nachbewilligung der Öffentlichen Hand, wenn ein Bau erst einmal begonnen worden ist? Es ist Zeit, dass alle Beteiligten die Karten auf den Tisch legen. Wer hält den Schwarzen Peter?

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