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Kultur: Das Tempo der Liebe

ALL THAT JAZZ Christian Broecking über Andy Bey im Blindtest Beim letzten Monterey Jazz-Festival absolvierten vier der renommiertesten Jazzsänger einen so genannten Blindfold Test: Jon Hendricks, Mark Murphy, Kevin Mahogany und Kurt Elling sollten live auf einer Bühne raten, welche Platten von anderen Sängern ihnen vorgespielt wurden – und Kommentare abgeben. Nach Stücken mit Billy Ecksteine, Bobby McFerrin und King Pleasure wird „Someone To Watch Over Me“ von Andy Beys CD „Ballads, Blues & Bey“ (Evidence) aufgelegt.

ALL THAT JAZZ

Christian Broecking über

Andy Bey im Blindtest

Beim letzten Monterey Jazz-Festival absolvierten vier der renommiertesten Jazzsänger einen so genannten Blindfold Test: Jon Hendricks, Mark Murphy, Kevin Mahogany und Kurt Elling sollten live auf einer Bühne raten, welche Platten von anderen Sängern ihnen vorgespielt wurden – und Kommentare abgeben. Nach Stücken mit Billy Ecksteine, Bobby McFerrin und King Pleasure wird „Someone To Watch Over Me“ von Andy Beys CD „Ballads, Blues & Bey“ (Evidence) aufgelegt. Kurt Elling sagt, wer Andy Bey noch nicht gehört hat, habe nicht gelebt. Mark Murphy stimmt ein. Andy Bey habe das Tempo der Liebe. Andy habe das besondere Vibrato, schwärmt Mahogany. Er habe Stil, eine Klasse, die man bei heutigen Sängern vergebens sucht. Ja, die pure Schönheit, summt Jon Hendricks dazu. Wow! Und das Beste für uns dabei ist, das der Mann, von dem die Experten so schwärmen, seine Europatournee jetzt hier in Berlin beginnt.

Andy Bey ist ein kleiner Mann, schwarz und kräftig, meist buntschick angezogen, doch zu den Jazzmusikern, die häufig fotografiert und abgebildet werden, zählt er nicht gerade. Seine Auftritte in den New Yorker Clubs sind rar. Andy Bey ist Jahrgang ’39, doch erst spät begann er, sich ausschließlich einer Solokarriere zu widmen. In den Fünfzigerjahren trat er schon im Apollo auf und machte Plattenaufnahmen. Mit seinen Schwestern Salome und Geraldine zusammen war er damals einfach „Andy and the Bey Sisters“. „Ein sehr begabter, einfühlsamer Pianist“, sagt Horace Silver über Bey. Für ihn jedoch blieb er sein wichtigster Sänger. Wenn Silver, der zwar für fast alle seine Kompositionen Texte schreibt, sie dann aber doch meist nur als Instrumentalversionen veröffentlicht, an einen Sänger für seine Stücke denkt, dann ist es Andy Bey. Platten aus dem Silver-Universum, die von der gemeinsamen Arbeit zeugen haben Titel wie „Total Response“ und „It’s Got To Be Funky“.

Später kommen die Jahre, als man empfänglich tat für indische Intervalle und afrikanische Rhythmen. Aus dieser Zeit geht Beys erstes Album mit eigenen Kompositionen „Experience and Judgement“ hervor. Auf seiner neuesten Solo-CD „Chillin’ With Andy Bey“ (Minor Music) singt er banale Texte über die Liebe so, als wären sie schon immer anders gemeint gewesen. Als der schwarze Kulturkritiker Amiri Baraka forderte, dass die afroamerikanischen Musiker sich aus der Abhängigkeit von der weißen Songschreiber-Industrie, befreien sollten, hatte er übersehen, dass viele Songs innerhalb der schwarzen Tradition längst schon ein Eigenleben führten. Die neue Bey ist voll von solch stolzen und selbstbewussten Interpretationen der alten Klassiker von Gershwin & Co. Andy Bey ist nicht der Mann, der viel redet. Solche Menschen riskieren immer etwas, wenn sie zu sprechen anfangen. Oder zu singen. Sie öffnen sich. Sie werden leidenschaftlich. Ganz öffentlich. Am Donnerstag im Quasimodo , 22 Uhr.

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