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Kultur: Das Wohlfühl-Festival

Mit Glamour und Qualität: Die zweite Art Basel Miami Beach entwickelt sich zum Topereignis der zeitgenössischen Messen

Vor einem Spiegel kann man sein Gesicht verlieren. Spätestens dann, wenn Jeppe Hein den Betrachter mit Hilfe eines fauchenden Mechanismus in Rauchschwaden verschwinden lässt, im Augenblick, in dem er sich nichts ahnend auf eine Bank setzt, um ein bisschen Abstand von der Kunst zu gewinnen. 30 000 Dollar kostet die explosive Installation des deutschen Nachwuchsstars beim Berliner Junggaleristen Johann König, und sie ist eine der beeindruckendsten am Strand von Miami Beach.

In Schiffscontainern, von den Basler Architekten Seinmann & Schmid zu schmalen Ausstellungsquadern umgestaltet, zeigen hier 15 innovative Galerien Positionen aktuellster Kunst zwischen Terror Chic und psychedelischer Ornamentik. Spätestens hier, wo man das Meer riechen und barfuß durch den Sand unter den dünnen Holzstegen zu den Kojeneingängen gehen kann, hat man sich in den Charme und den Glamour dieser zweiten Art Basel Miami Beach verliebt, die so viel mehr ist als ein Handelsplatz der Gegenwartskunst. Nach dem Auktions- und Messemarathon des Herbsts, bei dem der coole Londoner Newcomer Frieze etablierte Veranstalter wie das Berliner Art Forum, die Art Cologne und sogar die Turiner Artissima blass aussehen ließ, krönt die Schwestermesse der Art Basel im sonnigen Florida nun ein beeindruckend erfolgreiches Marktjahr der internationalen Gegenwartskunst.

Als „Art Festival“ beschrieb sie David Dermer, der Bürgermeister von Miami Beach, in seiner Eröffnungsrede, und tatsächlich glänzt die vom 4. bis zum 7. Dezember stattfindende Art Basel Miami Beach als ein Cannes der zeitgenössischen Kunst, ein vor Shows und Partys, Konzerten, Empfängen und Clubevents berstender Cocktail aus Business und Lebensfreude.

Ohne die Gastfreundschaft der einheimischen Sammler, der Rubbells, Margulies, de la Cruz, Mora, Scholl und Shack, um nur einige zu nennen, ohne die Unterstützung von Sponsoren wie UBS oder BMW, vor allem aber ohne die perfekte Organisation und konsequente Qualitätskontrolle von Messedirektor Samuel Keller und seinem Team lässt sich die allgemeine Hochstimmung schwer vorstellen, die bereits auf der Vernissage herrschte und die sich schnell in Kauflust verwandelte. Fast alle der 175 versammelten Topgaleristen in der Messehalle des Convention Center verkauften schon während der Vorbesichtigung wichtige Arbeiten: Max Hetzler etwa ein Gemälde von Martin Kippenberger (300 000 Dollar), Eva Presenhuber die hybriden, frechfarbig türkisrotgelben Sitzobjekte „Knotzen“ von Franz West (135 000 Dollar), Gmurzynska eines der jüngsten Werke von Sigmar Polke (rund 350 000 Dollar), Thaddaeus Ropac eine Wandarbeit von Stefan Balkenhol, und Christian Nagel eine monumentale, bemerkenswert schöne Tapisserie von Cosima von Bonin (43 000 Dollar).

Als „Nummer eins“ der Messen in den USA, „weit vor der New Yorker Armory Show“ charakterisieren Galeristen wie Leo König und Friedrich Petzel, beide in New York etabliert, die Art Basel Miami Beach. Zufrieden und entspannt, lächelnd bis strahlend empfingen die Händler zahlreiche Sammler, Kuratoren und Museumsdirektoren. Noch mehr Galerien als im vergangenen Jahr hatten fusioniert, zum Teil zur Minderung der Kosten, zum Teil aber auch mit konzeptionellem Ehrgeiz. Gewagt, gleichzeitig gekonnt, kombinierten zum Beispiel die Berliner Haas & Fuchs und Contemporary Fine Arts die Künstler Miró und Immendorff, Meese und Kiefer. Eine andere der insgesamt 15 (!) teilnehmenden Berliner Galerien, neugerriemschneider, setzte dagegen einen wirkungsvollen thematischen Akzent und präsentierte berückende „Blumen“-Werke von Künstlern wie Jorge Pardo, Isa Genzken oder Thaddeus Strode.

Die meisten Händler hatten farbintensive und überwiegend heitere Werke ausgewählt – Hommage an das unbeschwerte Miami-Flair, das offensichtlich vor allem die Deutschen anzieht, die mit 30 Teilnehmern als zweitstärkste Nation nach den USA (90) auftraten. Weitere Highlights dieser Messe ohne Makel waren ein ungewöhnliches Camouflage-Tableau von Andy Warhol bei Gagosian (950 000 Dollar), das mit 15 Millionen Dollar wohl teuerste Bild der Fair, „Bride and Broom“ von Amedeo Modigliani bei Landau Fine Art, und ein Besuch von Robert Rauschenberg am Stand von Jamileh Weber, die eine Retrospektive mit seinen Arbeiten zeigte (250 000 bis 1,1 Millionen Dollar). Der Popart-Pionier brachte das Geheimnis der Art Basel Miami Beach auf den Punkt: „Die Menschen haben hier einfach viel mehr Spaß“.

Eva Karcher

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