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Degenhardt-Feier im Berliner Ensemble: Politisch Lied ist schönes Lied

Es war mehr als eine Gedenkfeier: Als am Montag 15 Interpreten dem jüngst verstorbenen Franz Fosef Degenhardt huldigten, ging es auch um die Zukunft des politischen Liedes.

Es hatte ein Geburtstagskonzert werden sollen, dann war es kurzzeitig ein Gedenkkonzert, blieb natürlich beides, war aber am Ende auch und vor allem eins: ein Experiment. Der Tod des an diesem Abend im Berliner Ensemble gefeierten Franz Josef „Karratsch“ Degenhardt kurz vor seinem 80. Geburtstag hatte in den Medien die Frage aufgeworfen: Gibt es sie noch, die politischen Liedermacher? Das Konzert „Farewell Karratsch – Freunde feiern sein Werk“, prominent besetzt mit unter anderen Konstantin Wecker, der gemeinsam mit Prinz Chaos II. auch durch das Programm führte, Wiglaf Droste, Götz Widmann, Joana und Hannes Wader, beantwortete sie mit einem klaren „Jein“.

Was da ein bisschen wie ein Sängerwettstreit mit dem Verstorbenen wirkte – jeder Interpret sang ein eigenes und ein Degenhardt-Lied – offenbarte einmal mehr dessen große Stärken. Die Art und Weise, mit der Degenhardt Pathos mit Agitation ausbalancierte, dabei tiefenscharfe Bilder der westdeutschen Gesellschaft entstehen ließ, machte ihm, zumindest an dieser Stelle, keiner nach. So fleischte etwa die umjubelte „Kleingeldprinzessin“ Dota Kehr (31) zunächst mit Degenhardts Frühwerk „Ein schönes Lied“ in den Ekeln des Vietnamkriegs herum, um danach in ihrem eigenen Lied „Utopie“ deutlich weniger sezierend zu konstatieren, sie habe „viel zu viel Ärger und viel zu wenig Wut“ und verstehe nur so viel: „Geld ist Tyrannei.“ Gegen eine marxistisch fundierte Gesellschaftskritik ist so natürlich nicht anzukommen. Dafür findet Kehrs Text aber auch keinen Fluchtpunkt in einer gescheiterten Ideologie, verherrlicht nicht, wie noch zu viele es an diesem Montagabend in Berlin – nicht zuletzt mit und anhand von Degenhardts eigenen Texten – taten, den real existierenden Sozialismus.

So war dann auch ein weiterer Höhepunkt des an bewegenden und interpretatorisch schlicht guten Auftritten reichen Konzerts einer, der dem Ge- und Verehrten vielleicht gar nicht so zugesagt hätte. Wie der in Berlin lebende Amerikaner Daniel Kahn mit seinem Ostalgie-Bash „The Good Old Bad Old Days“ zu vorgerückter Stunde den hier und dort hervorwabernden altlinken Muff neutralisierte, machte Hoffnung auf eine Zukunft, in der Liedersänger vielleicht keine zuverlässigen Genossen, aber weiterhin großartige Chronisten sein werden.

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