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Kultur: Den Opfern ein Denkmal

Janowski und das RSB  beim Musikfest Berlin.

Wie sich Musik im Spiegel der Politik verhält, klagend, verstummend, protestierend, ist Thema des Abends, mit dem sich das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin in der Philharmonie am Musikfest beteiligt. Von Bartóks „Vier Stücken für Orchester“ führt das Programm zur 13. Symphonie von Schostakowitsch. Zwischenstation ist das „Concerto funèbre“ von Karl Amadeus Hartmann, ein Stück aus Vorahnung und tiefer Not von 1939. „Kann Kunst das Leben ändern?“, hat Hans Neuenfels in einer seiner frühen Inszenierungen auf einem Spruchband gefragt. Für Hartmann bleibt in seinem Konzert für Violine und Streichorchester nur der persönliche Kontrapunkt verzweifelter Trauer zur Katastrophe des Polenfeldzugs.

Das RSB mit seinem Chefdirigenten Marek Janowski begleitet mit der ihm eigenen Aufmerksamkeit eine Solistin von außerordentlichem Format. Es ist Isabelle Faust, deren intellektuelle Musikalität aus ihren Interpretationen von Beethoven bis Berg bekannt ist. An Alban Berg knüpft Hartmanns Werk an. Die Geigerin hat einen ganz eigenen Ton für diese Musik der Einsamkeit, weil er zugleich fahl und beseelt klingt, tieftraurig und glühend. Die instrumentale Kunst mit ihren Flageoletts und Nuancen des Vibratos gehorcht einer Stimme von innen.

Gegen den sowjetischen Antisemitismus richtet sich die Dreizehnte, „Babi Jar“, von Dmitri Schostakowitsch. „Babi Jar“ sollte nach dem Krieg vergessen werden. Es ist jene Schlucht außerhalb von Kiew, die 1941 Schauplatz eines der größten Massenmorde im Zweiten Weltkrieg war. Mehr als 33 000 Juden wurden von SS-Truppen erschossen. Antisemitismus in der UdSSR verdrängte die Ungeheuerlichkeit der deutschen Schuld.

„Kein Denkmal“: Da setzt 1961 das Gedicht „Babi Jar“ von Jewtuschenko an, das die Gesellschaft offen kritisiert: „Mir ist, als wenn ich selbst ein Jude bin.“ Das Orchester beleuchtet unter Janowski mit fabelhaften tiefen Streichern, Pauken und schwerem Blech, burleskem Holz und Solo-Streichern eine Aufführung in deutscher Sprache. Das ist sinnvoll, weil die Botschaft verstanden sein will. Im Original hätte das einstündige Werk vor einem Publikum, das des Russischen überwiegend nicht mächtig ist, weniger Spannung erreicht. Hier aber gelingt es mit dem bewundernswerten Estnischen Nationalen Männerchor und der Engagiertheit des Bassisten Günther Groissböck, den Text zu verteidigen: „Und darum steh ich hier als wahrer Russe.“ Sybill Mahlke

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