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Kultur: Dependance

Sechs Bücher pro Saison: Was Hanser in Berlin plant

In Berlin war es einige Wochen lang nicht mehr als das Gerücht eines Gerüchtes, auf der Frankfurter Buchmesse wurde es ein richtiges Gerücht mit hohem Wahrheitsanteil: Den in München beheimateten Hanser Verlag zieht es nach Berlin, nicht mit Mann und Maus, aber mit einer Niederlassung. In einem Gespräch mit dem RBB hat Michael Krüger, seit 1995 Verlagsleiter von Hanser, offiziell bekannt gegeben, dass er die Eröffnung eines Berliner Büros plane. Anfang des nächsten Jahres soll es losgehen, mit der ehemaligen Berlin-Verlags-Chefin Elisabeth Ruge als Leiterin dieses Büros.

Hanser will in Berlin also nicht nur präsent sein, so wie es etwa der S. Fischer Verlag in der Neuen Grünstraße in Mitte mit einem Büro ist oder wie es Suhrkamp vor dem endgültigen Umzug mit einer Veranstaltungsdependance in der Fasanenstraße war. Sondern er will unter der Ägide von Elisabeth Ruge in Berlin Bücher aquirieren und produzieren, „sechs bis sieben pro Saison“, wie Krüger der „Süddeutschen Zeitung“ sagte, literarische Titel und Sachbücher. Man wolle die in der Hauptstadt versammelten intellektuellen und schriftstellerischen Kapazitäten nutzen, so Krüger. „Das wollen wir nicht allein den Berlinern überlassen.“

Interessant an dieser Rochade ist, dass der Hanser Verlag bislang auch ohne Berlin-Dependance sehr erfolgreich war. Die große Zahl von Literaturnobelpreis- und Büchnerpreisträgern, die Hanser verlegt, spricht für sich, aber auch viele Titel in den Bestsellerlisten. Am Berlin-Hype hat sich Michael Krüger bislang nie beteiligt. Die Kombination von Geist und Erfolg ist für ihn keine Standortfrage, und vor Suhrkamp kam in den letzten Jahren immer erst Hanser, wenn es um den bedeutendsten deutschsprachigen Verlag ging.

Michael Krüger folgt letztendlich einem alten Trend. Denn der in Reinbek ansässige Rowohlt Verlag hat seit 1994 schon den Verlagsableger Rowohlt Berlin. Und beim darniederliegenden Frankfurter Eichborn Verlag gab es viele Jahre das Sublabel Eichborn Berlin, bis dessen Leiter Wolfgang Hörner 2009 den Galiani Verlag gründete und sich mit dem Kölner Kiepenheuer & Witsch Verlag zusammentat.

Während Eichborn Berlin unter Hörner viel erfolgreicher als der Stammverlag war, haperte es bei Rowohlt Berlin allerdings eine Zeitlang mit dem Profil. Inzwischen erscheinen dort viele gute Bücher, von Wolfgang Herrndorf, Thomas Melle oder Wolfgang Büscher. Vielleicht wären die Genannten, die alle in Berlin leben, tatsächlich nicht bei Rowohlt gelandet, gäbe es nicht Rowohlt Berlin. Dass es bei Hanser und Elisabeth Ruge zu Abstimmungsschwierigkeiten kommt, ist kaum zu vermuten. Denn niemand scheint besser geeignet für eine Zusammenarbeit mit dem Münchner Verleger als Elisabeth Ruge, die als Leiterin des von ihr mitbegründeten Berlin Verlags von 2005 bis 2010 für ein anspruchsvolles literarisches, wenngleich kommerziell nicht immer erfolgreiches Programm stand. Gerrit Bartels

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