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Kultur: Der Amerikaner attackiert in seinem Film US-Wirtschafts-Bosse

Manchmal gibt es Dinge auf dieser Welt, die könnte sich ein Satiriker gar nicht besser ausdenken. Centralia etwa, diese Stadt mitten im plattesten Illinois, deren Downtown ein schäbiger Hamburgerpalast ziert.

Manchmal gibt es Dinge auf dieser Welt, die könnte sich ein Satiriker gar nicht besser ausdenken. Centralia etwa, diese Stadt mitten im plattesten Illinois, deren Downtown ein schäbiger Hamburgerpalast ziert. In Centralia werden Schokoriegel hergestellt, die, das muss aus glücklicheren Zeiten stammen, "Pay Day" heißen. Jetzt soll, Ironie des Schicksals, die "Pay Day Candy Bar"-Fabrik zugemacht werden, der letzte Zahltag steht bevor.

Michael Moore zieht erstaunlich wenig Ausbeute aus den komischen Aspekten dieser Situation. Vielleicht ist ihm das zu billig. Moore, der als Filmemacher mit "Roger and Me" den bisher erfolgreichsten Dokumentarfilm der USA produziert hat, ist auch ein begabter Alleinunterhalter, der zwei Jahre lang mit seiner eigenen TV-Show "TV Nation" die amerikanische Fernsehkritik zum Jubilieren brachte. Und als Autor hat er 1996 mit "Downsize This! Random Threats from an Unarmed American", einer Attacke auf die amerikanische Rationalisierungs- und Niedriglohn-Ökonomie, die US-Bestsellerlisten gestürmt. Moore weiß, die Medienklaviatur zu bedienen: Der Film zum Buch zur Show. "The Big One" (1997 zuerst erschienen) zeigt die Promotiontour, die der Verlag Random House für seinen Autor organisierte. Nicht New York und Boston, sondern kulturell eher ausgehungerte Orte wie Rockford, Minneapolis oder Centralia standen dabei auf dem Plan der Lese-Tournee, die unter Moores charismatischer Führung zu einer Demonstration aufbegehrenden Volkswillens wird. Moores Feindbilder sind dabei zweierlei. Einmal die vom Verlag als Anstandsdackel gestellten "media escorts", meist gut gefönte drahtige Damen mit einem sadomasochistischen Zug um den Mund. Zum anderen die CEOs (Chief Executive Officers) diverser Unternehmen. Moore nutzt die Tour nämlich, um - ähnlich wie in "Roger and Me" - einigen von ihnen persönlich auf den Zahn zu fühlen. Mit Thrillersound sind Moores meist scheiternde Attacken auf die Chefetagen unterlegt, als Verfolgungsjagd inszeniert und guerillamäßig gefilmt.

"The Big One" ist die filmische Umsetzung der Thesen von Moores Buch, die darauf hinauslaufen, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen kann, wenn das Big Business ausgerechnet das Florieren seiner Geschäfte zum Anlass nimmt, - inländische -Produktionsstätten zu schliessen. Dabei gibt sich Moore als amerikanischer Patriot: "Ich habe die Verfassung gelesen, das Wort shareholder taucht dort nicht einmal auf." Heftiger Applaus. Moore ist ein politischer Mensch in einem schlichten altmodischen Sinn, und ein Populist. Einer, der will, dass die Dinge nicht so bleiben, wie sie sind, und die Schuld dafür, dass sie so sind, wie sie sind, denen da oben gibt. Manchmal ist das mehr moralisch als politisch. Öfter bleiben dabei auch Widerprüche auf der Strecke.

Moores Pluspunkte sind die Geradlinigkeit seines Denkens und die Naivität, Dreistigkeit und Schlagfertigkeit, die daraus resultieren. Im Gegensatz zu "Roger and Me" gelingt es Gladiator Moore dann doch noch, einen Hauptangeklagten aus den Gipfeln der Glaskästen persönlich zum Duell zu stellen: Nike-Chef Phil Knight, der sein Sneakers für 40 Cent Stundenlohn in Indonesien herstellen lässt. Knight redet sich auf eine recht rassistische "Glaubenssache" heraus: Amerikaner wollen einfach nicht in Schuhfabriken arbeiten. Ob das für ein Happy End reicht?Fimbühne am Steinplatz (OmU)

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