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Kultur: Der Aura-Zerstörer

Es ist kein schönes Foto.Aber einmalig.

Es ist kein schönes Foto.Aber einmalig.Als Khomeini 1979 aus seinem Pariser Exil in den Iran zurückkehrte und im Freudentaumel seiner Anhänger den Turban verlor, schoß Robert Lebeck als einziger ein Bild von dem entblößten Revolutionsführer.Für Sekunden war dessen dämonische Aura zerstört.Lebeck und sein Kollege Heinrich Jaenecke, die den Rückkehrer für eine "Stern"-Reportage begleiteten, standen mitten in einer fanatisierten Menschenmenge.Was wäre geschehen, wenn man bemerkt hätte, daß sie das religiöse Oberhaupt im Moment seiner ganzen Schwäche abgelichtet hatten? Fotografieren heißt, beteuert Lebeck, "Regeln zu verletzen".

Der ehemalige Starfotograf des "Stern", der heute seinen 70.Geburtstag feiert, ist ein Meister der charmanten Regelverletzung.Hindernisse ignorierte er mit einer derart unverblümten Selbstgefälligkeit, daß ihm kaum jemand böse sein konnte.Allerdings hat ihm die unbekümmerte Nonchalance seines Auftretens auch den Ruf eingebracht, nachlässig und faul zu sein.Doch die lange Reihe seiner denkwürdigen Schnappschüsse, vom Degendieb im Kongo über die trauernden Schwestern Jackie Onassis und Lee Radziwill am Sarg Robert Kennedys bis zu den Portraits von Romy Schneider, verdankt er einer instinktsicheren Wachheit.Er selbst entschuldigt seinen Erfolg gerne mit einem Übermaß an Glück.Doch wer die Ruhe besitzt, sich wie ein Flaneur zu bewegen, dem fällt das Glück vor die Füße.

Lebeck zählte, bis er sich nach über vierzig Berufsjahren in ein französisches Landhaus zurückzog, nicht zu den Hasardeuren seines Faches.Er hat das Risiko im Frontfeuer nicht gesucht.Der Krieg war ihm bereits in die Knochen gefahren, lange bevor er an die Fotografie überhaupt denken konnte.Als Fünfzehnjähriger wurde er, der in Berlin in ärmlichen Verhältnissen von seiner Großmutter aufgezogen worden war, in eine FlackhelferUniform gesteckt und der Roten Armee als letztes Aufgebot entgegengeschickt."Er war ein Entkommener", schrieb Heinrich Jaenecke einmal, "und er war, wie alle seiner Generation, gierig nach Leben."

So wuchs in dem entwurzelten Knaben zwar zunächst der Wunsch, Völkerkundler zu werden, aber dem trockenen Studium konnte er natürlich nichts abgewinnen.Statt dessen begann er zu fotografieren.Wie im Rausch.Und es folgte ein kometenhafter Aufstieg.Die publizistische Landschaft der Bundesrepublik wartete zu Beginn der fünfziger Jahre nur auf junge Leute wie Lebeck, die jedem erdenklichen Motiv hinterherjagen würden.Seine frühen Reportagen vom Zusammentreffen Chruschtschows und Titos sowie vom Ende der Kolonialzeit in Afrika, die in "Revue" und "Kristall" erschienen, machten ihn zum international geachteten Bildreporter.

Lebeck nennt sich einen "Universalisten", der sich ebenso selbstverständlich mit verschlammten Klamotten über die Pisten einer afrikanischen Krisenregion bewegen konnte wie mit einem Champagnerglas über Marmorplatten zum Swimmingpool eines westdeutschen Kaufhaus-Tycoons.Als Lebemann, der er selber war, wollte er sich nicht auf ein Genre festlegen lassen und näherte sich den Menschen, gleichgültig ob Stahlarbeiter oder Primadonna, mit demselben jungenhaften, belustigten Lächeln - und hat sie verführt.Ohne Sentimentalitäten.Seine Politiker- und Künstler-Portraits wirken deshalb trotz großer Nähe stets unterkühlt.Aber er wollte Chronist sein, nicht Philosoph, und machte sich über die Wirkung seiner Bilder keine Illusionen.Sie veränderten die Welt nicht.Sie konnten in den meisten Fällen nicht einmal festhalten, was sich tatsächlich ereignete.Sie erzählten lediglich eine Story.

Der Hamburger "Stern" unter Leitung Henri Nannens war die Königsklasse für solche professionellen Geschichtenerzähler.Das Magazin beschäftigte einen Raubtierkäfig voller erstklassiger Fotografen, und Lebeck gehörte ab 1962 dazu.Wenn er von seinen Reisen zurückkehrte und die Resultate gesichtet wurden, war sein Bilderstapel immer der dünnste.Seine Begabung, eine Situation manchmal mit nur einer einzigen Aufnahme auf den Punkt zu bringen, war ehrfurchterregend.So war der Tumult in Teheran, der seinen Führer zu Fall brachte, ein Vorgriff auf den Terror, der das Land bald ergreifen sollte.

Die Blütezeit des Fotojournalismus ist durch das Fernsehen beendet worden.Lebeck mag das schon früh gespürt haben und wendete sich den Pionieren der Fotografie zu, die er wie Trophäen zu sammeln begann.1995 zog er sich aus der "Stern"-Redaktion zurück, um in vierter Ehe noch einmal von vorne anzufangen.Gefragt ist der Routinier als Zeitzeuge bis heute."Meist mache ich es mir einfach, spiele die Erinnerungsmelodie: Der geklaute Degen, Romy, Willy Brandt.Mein Leben paßt in drei Sendeminuten."

Ausstellung: Robert Lebeck "Vis-à-Vis", Willy-Brandt-Haus, 26.3.bis 26.5., Mo-Fr 10 bis 20 Uhr, Sa/So 10 bis 18 Uhr.

Katalog: "Robert Lebeck Vis-à-Vis", hrsg.v.Tete Böttger, Steidl Verlag, Göttingen 1999, 264 Seiten, 78 Mark.

Autobiographie: Robert Lebeck, "Rückblenden", mit Harald Willenbrock, Econ Verlag, München 1999, 316 Seiten, 48 Mark.

KAI MÜLLER

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