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Kultur: Der Ball ist wund

David gegen Goliath? Ewiger Zweiter gegen Weltklasse-Elf?

David gegen Goliath? Ewiger Zweiter gegen Weltklasse-Elf? Pillendrehermannschaft gegen königliches Team? Ach was. So sehr wir im Grunde doch all die fußballerischen Phrasen lieben, die unumstürzlichen Klischees, weil sie uns an die unschuldige "Sportschau"-Jugendzeit erinnern - heute Abend nutzt das alles nichts. Bayer Leverkusen gegen Real Madrid im Finale der Champions League: Es wird eine Tragödie. Egal, wie das Spiel ausgeht. Ganz gleich, ob es Verlängerung und Elfmeterschießen usw. gibt. Denn wir stecken in einem fürchterlichen Dilemma. Wir Zuschauer können ja überhaupt nur verlieren.

"Allgemein setzt die Tragödie das Wirken unbegreifbarer Mächte (Schicksal), Götter voraus, mit denen der einzelne in Konflikt gerät (Schuld)", heißt es in Henning Rischbieters gutem altem "Theaterlexikon". Und dass Rischbieter, Nestor der deutschen Theaterkritik, just am heutigen Abend in einer Berliner Aufführung des "König Lear" sein schauspielerisches Debüt gibt, macht die Sache nur noch komplizierter. Man kann sich schließlich nicht zerreißen.

Doch es wird uns zerreißen, das Match in Glasgow. Sicher, wir wünschen Leverkusen den Sieg. Bei einer erneuten Niederlage platzt der dicke Manager Calmund, und der nette Trainer Toppmöller muss dann noch mehr Zigaretten rauchen. Und dann würden sie wieder weinen wie die schottischen Schlosshunde, wenn Bayer Leverkusen absäuft im madrilenischen Loch Ness. Sie müssen gewinnen, die "Meister der Herzen und der Schmerzen". Sie können nicht immerzu das Pech des Tüchtigen haben.

Bloß: Wollen wir im Ernst erleben, wie Zidane, Figo und Raul, die herrlichsten aller Welt-Fußballer, geschlagen vom Platz krauchen, von Leverkusen gestoppt, ausgekontert, gedemütigt!? Wollen wir nicht Zaubertore, Traumpässe, himmlische Freistöße sehen von den stolzen Helden, die es in der spanischen Liga allerdings auch nicht so richtig gebracht haben?

Es ist das Finale. Es gibt kein Unentschieden. Nur Triumph oder Trümmerhaufen. Wir müssen leiden, so oder so. Vor fünf Jahren, beim Champions-League-Finale Dortmund gegen Turin, kam der Deus ex Machina. Er hieß Lars Ricken und machte das 3:1. Aber die Borussia hat nun mal eine Siegermentalität, und Juve ist nicht ganz so göttlich wie Real. Gehen wir heute Abend vielleicht doch lieber ins Theater: Dort tut es nicht weh. Im Theater sind die Götter tot, Drama und Mythos abgeschafft. Und alle sind sehr cool.

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