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Kultur: Der bedeutendste Theaterregisseur unserer Tage wird heute 75 Jahre alt

Er wirkt ganz unscheinbar, dieser untersetzte, kleine Mann mit dem weißen Haarkranz; meist ist er wie ein Handwerker gekleidet, offenes Hemd, Jeans, Lederjacke. Und einen "Handwerker" nennt er sich auch selbst: ein Mensch der praktischen Vernunft, begabt nur, Schauspielern mit einem Text, einer Musik, einem Thema ein wenig auf die Sprünge zu helfen.

Er wirkt ganz unscheinbar, dieser untersetzte, kleine Mann mit dem weißen Haarkranz; meist ist er wie ein Handwerker gekleidet, offenes Hemd, Jeans, Lederjacke. Und einen "Handwerker" nennt er sich auch selbst: ein Mensch der praktischen Vernunft, begabt nur, Schauspielern mit einem Text, einer Musik, einem Thema ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Aber er ist der größte lebende Regisseur - der einzige, der nicht nur zwischen London und New York, Berlin und Paris, Moskau und Tokio Triumphe erlebt hat. Peter Brook, der heute in Paris seinen 75. Geburtstag feiert, ist vielmehr schon früh ausgebrochen, aufgebrochen: nach Persien, nach Afrika, nach Indien. Sein Theater, das mit Shakespeare in London und Stratford begann und 1969/70 in seinem ganz in Weiß gespielten, flirrenden, von Schlagzeugrhythmen vorangetriebenen "Sommernachtstraum" gipfelte, hat nicht einfach die Welt erobert. Es hat sie gesammelt, hat Leben und Kulturen vieler Völker studiert und zusammengebracht. Dabei ist durch die Vielfalt eine neue poetische Verdichtung entstanden. Ein Teppich im Sand wird als einziges Requisit zum Zauberboden für alle denkbaren Spielorte. Darauf kann er in seinem kleinen großen Welttheater in Paris, der ehemaligen Vaudeville-Bühne der Bouffes du Nord, ebenso gut Tschechows "Kirschgarten" spielen, wie in nur 80 Minuten die musikalische Tragödie der "Carmen". Er wäre auch der Einzige, der als genialer Vereinfacher und Verdichter aller Spiele und Stile jene von Thomas Bernhard erträumte ungeheure "Shakespearekonzentration" - sämtliche Stücke an einem Abend - schaffen könnte. Denn bei ihm sind alle Künste zu Haus, er scheint das Schwerste noch bestürzend, bestrickend leicht zu machen. Brook selbst aber sagt, dass seine Arbeit kein Geheimnis habe. "Das einzige Prinzip ist, dass es im Theater keinen grundsätzlichen Unterschied der Gattungen - Oper, Schauspiel, Tanz - geben muss. Theater heißt nur allemal, eine Geschichte zu erzählen." Die ersten Geschichtenerzähler der Welt haben von Mythen berichtet. Peter Brook ist nun längst sein eigener Mythos. Aber dabei ist er so uneitel, so unerschöpflich offen für neue Geschichten des Lebens, dass er sie leise, leichthin weiter erzählt. Ein alter Mann, ein weises Kind.

PvB

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