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Kultur: Der Blick von unten - Zum Tod des sächsischen Komikers

Mit der eigenartig widerständigen Lebensart der Sachsen war Eberhard Cohrs fest verwachsen. Um stürmische Tapferkeit geht es bei diesem aufmüpfig gelassenen Dasein nie.

Mit der eigenartig widerständigen Lebensart der Sachsen war Eberhard Cohrs fest verwachsen. Um stürmische Tapferkeit geht es bei diesem aufmüpfig gelassenen Dasein nie. Aber um etwas hintergründig Besserwisserisches, um das grummelnde Richtigstellen der gegebenen Verhältnisse "von unten", um eine gemütliche (gemiedliche) Art, Wahrheiten herauszulassen und gleich wieder in den Dschungeln des melodisch breiten Dialekts zu bergen. Diesen "Blick von unten" hatte Cohrs ganz buchstäblich, wenn er die Braue hochzog, die Augen blitzen ließ, den Mund kräuselte: "Habt ihr es alle auch kapiert?" Der kleine Mann mit der großen Gusche war in wenig humorvollen DDR-Zeiten ganz und gar für sein Publikum da.. Mit der Zeit wurde Cohrs, bei seinen Auftritten im Kabarett, in der Revue, im Fernsehen, so etwas wie der gute Geist einer Gemeinschaft. Wenn er die von der SED-Führung gefeierten Platten-Neubau-Wohnungen ob ihrer ärmlichen Abmessungen als "Wohnklo mit Kochnische" bezeichnete, lachte die ganze Repulik. Möglicherweise überschätzte er die, wie Brecht gesagt hätte, "eingreifenden" Möglichkeiten des Humoristen. Als er 1977 nach einem Gastspiel in der BRD blieb, verlor er zunächst seine Unverwechselbarkeit. Ein Sachse in Bayern, wie konnte das gehen? Das bedrückte Volk, das er vertrat, gab es im "Westen" nicht, die SED-Funktionäre als unerschöpfliche kabarettistische Nahrung befanden sich außer Reichweite. Aber Cohrs rappelte sich auf, spielte mit Grit Böttcher und Harald Juhnke, trat mit Freddy Quinn auf und war der Trapper Sam Hawkins bei den Karl-May-Festspielen in Bad Segeberg. Er spielte in Operetten, war wieder im Kabarett zu sehen - und doch, die unauflösliche Verbundenheit mit einem Publikum, das seinen Groll auf Obrigkeit bestätigt und an die Öffentlichkeit gebracht sehen wollte, fehlte ihm. Nach dem Untergang der DDR und der Rückkehr ins Haus am Scharmützelsee bei Berlin versuchte Cohrs tapfer, diesen Kontaktwieder herzustellen. Es gelang nur in Ansätzen. Vielleicht machte ihn das anfällig für die Krankheit, für die Verwirrung, die ihn in den letzten Jahren heimsuchten, bis zu den Schüssen auf seine Frau. Cohrs, der Spaßmacher, dem es wie den Besten des Fachs ernst um seine Sache war, ist am Dienstag Morgen dem Krebs erlegen.

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