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Kultur: Der Chef als Zauberkönig

Halten wir einen Moment inne. Am Sonntag nahm Heribert Sasse, Intendant des Schlosspark-Theaters Berlin, mit Horváths "Geschichten aus dem Wienerwald", gekürzt auf sieben Bilder, einen unverhohlen melodramatischen Abschied.

Halten wir einen Moment inne. Am Sonntag nahm Heribert Sasse, Intendant des Schlosspark-Theaters Berlin, mit Horváths "Geschichten aus dem Wienerwald", gekürzt auf sieben Bilder, einen unverhohlen melodramatischen Abschied. Die drohende Schließung des Theaters vor Augen, baute er sich den Text so zurecht, dass er auf die gegebene Lage seines Theaters passt und ihm selbst eine große, Grenzen sprengende Rolle beschert. Der Zauberkönig, eine zwischen Bösartigkeit und Charme taumelnde Figur, ist Sasse. Aber Heribert Sasse ist auch Regisseur. Deshalb lässt er, anders als Horváth, den patriarchalisch eifernden Alten, der die Harmonie "in der stillen Straße im achten Bezirk" auch mit ausgetüftelter Grausamkeit erzwingen will, im Rollstuhl enden. Der Zauberkönig kann nur noch lallen.

Nichts gegen dramaturgische Freiheit. Aber Heribert Sasse beschädigt nicht nur das Stück durch fast schon vernichtende Striche (nur noch spärliche Reste des zweiten Teils kommen auf die Bühne), er dreht es um. Die Geschichte des Mädchens Marianne und ihrer beiden Männer rückt in den Hintergrund, wird blass und beiläufig. Dass die Sehnsucht nach einer großen Liebe von lauernder Bösartigkeit, Eigensucht und Dummheit zermahlen wird, interessiert den Regisseur nur am Rande. Und auch Horváths hellsichtige Warnung vor gemütsseliger Arroganz und dumpfem Chauvinismus, Faschismus und Krieg vorwegahnend, wird nicht zur Kenntnis genommen.

Nur die Kitschlügen um Österreich bleiben stehen. Denn es geht um den Zauberkönig. Für den ist das Stück zurechtgemacht, Heribert Sasse zieht alle Register seiner schauspielerischen Fähigkeiten. Er zeigt, vor der Pause, den Zusammenbruch eines Mannes, der das Leid der Welt auf sich nehmen muss, gekrümmt zusammenbricht, die Fähigkeit zum Sprechen verliert. Sasse verzichtet auf keinen Schluchzer, keinen wühlenden Schmerz und macht danach, im Rollstuhl, mit schwarzer Brille, den Bewegungsunfähigen, Vernichteten, zur stummen, bösen Anklage, die durch eine angeflickte Schluss-Szene noch betont wird.

Der Intendant, Regisseur und Schauspieler Sasse ist ein leidenschaftlicher Theatermann. Dass er sich für eine Aufgabe zerreißen kann, hat er oft genug bewiesen. Grenzen, Begrenzungen gelten ihm wenig, Einsatz und Eigensinn alles. In diesem Sinne wollte er dem traditionsreichen Schlosspark-Theater mit Übernahme der Intendanz 1995 einen eigenständigen Charakter im Ensemble der Berliner Bühnen zurückgeben. Gelungenes stand dabei, wie bei jedem anderen Theater in sieben Jahren auch, neben Misslungenem. Dass den Prinzipal die Vernichtung seiner Arbeit durch die wohl unabwendbare Schließung des intimen Theaters in Steglitz schmerzt, ist verständlich. Sie schmerzt nicht nur ihn, und er konnte die Huldigung eines begeisterten Publikums nach der Premiere entgegennehmen.

Dennoch, die letzte Regiearbeit am Schlosspark-Theater ist misslungen, Sasse hat sich verrannt, und sein Ko-Regisseur Helmut Schödel war ihm keine Hilfe. Es wurde im oberflächlichen Bühnenbild von Thomas Keip kein Ort für die Geschichte gefunden, die Darsteller spielten de nette, ein bisschen langweilige Leute mit kleinen Schrullen. Kristina Bangert hätte das Zeug für die Marianne gehabt, für das Mädchen, das den Ausbruch aus der klebrigen Enge der Vorstadtstraße versucht und bitter scheitert. Ihrer Anmut, ihrem naiven Staunen, ihrer berührenden Festigkeit hätte der Abend gehören sollen.

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