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Kultur: Der Coup

Edle Eintracht, stille Freude – und keine Bürokratie: Ab 2004 wird die sagenumwobene Sammlung Flick in Berlin zu sehen sein

Einen klitzekleinen Einblick in seine Sammlung gewährte Friedrich Christian Flick zur gestrigen Pressekonferenz, auf der die Vertragsunterzeichnung zwischen dem Sammler und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz verkündet wurde: ein Werk des allzu früh verstorbenen Martin Kippenberger mit dem Titel „Acht Bilder zum Nachdenken, ob’s so weitergeht“. Die Arbeit, so der von einem Dutzend Kamerateams und einer reichlichen Hundertschaft von Journalisten begrüßte Flick, stehe „für das, worum es mir bei der Kunst und meiner Sammlung geht: um Fragen nämlich und nicht um Antworten“. Der 58-jährige Wahlschweizer präsentierte sich als ein Mann der Inhalte, der politischen Bezüge und der Verantwortung gegenüber der Geschichte seiner Familie, die er auch – „auch!“ – als Antrieb seiner Sammeltätigkeit bezeichnete.

Gestern nun ist der Vertrag unterzeichnet worden, der die Sammlung Flick von 2004 an für sieben Jahre nach Berlin bringt, in die „Rieck-Halle“ links vom Hamburger Bahnhof in der Invalidenstraße, der als „Museum der Gegenwart“ den zeitgenössischen Annex der Nationalgalerie bildet. Die 300 Meter lange und 12000 Quadratmeter Fläche bietende Halle wird von der Deutschen Bahn AG zu einer Vorzugsmiete zur Verfügung gestellt, den Umbau – mit einem in Kürze zu benennenden, ausdrücklich „jungen“ Berliner Architekturbüro – finanziert der Sammler. Die Eröffnung soll im Frühjahr 2004 stattfinden, von da an läuft die Leihfrist von (zunächst) sieben Jahren; nach einer Querschnittsausstellung durch die mit nunmehr 2000 Arbeiten bezifferte Sammlung sollen zehn „Werkpräsentationen“ stattfinden. Die museale Betreuung liegt bei den Kustoden des Hamburger Bahnhofs; Stiftungspräsident Klaus-Dieter Lehmann versprach zudem personelle Aufstockung.

Eitel Freude über den gelungenen Coup herrschte auf dem Podium. Flick, der in seinem von sympathischer Bescheidenheit gezügelten Feuer den Kunstliebhaber glaubhaft machte, wurde gerahmt von Kulturstaatsministerin Christina Weiss, Stiftungspräsident Lehmann und seinen Museumsleuten Peter-Klaus Schuster und Eugen Blume – und Klaus Wowereit. Der Regierende Bürgermeister wurde als der Strippenzieher im Hintergrund vorgestellt. Er sei es gewesen, so Flick, der ihn bei einem „zufälligen“ Besuchin Berlin auf seine Sammlung angesprochen habe, und ihm dankte der Sammler für „die Energie und das Tempo“, mit dem die Leihverhandlungen zum guten Ende geführt wurden. Man lese „viel über die Bürokratie in Deutschland“, so Flick: „Ich habe in Berlin das Gegenteil erlebt.“ Und, wie alle seine Sätze fast beiläufig intoniert: „Ich freue mich natürlich als Deutscher besonders, dass ich in dieser dynamischen und weltoffenen Stadt meine Sammlung präsentieren darf.“ Kein Wunder, dass Wowereit, der seinen Triumph – „das stimmt mich fröhlich“ – staatsmännisch zu zügeln suchte, von einem „guten Tag für die Berliner Kultur“ sprach.

Und die politische Dimension? Die Beteiligten hatten sich augenscheinlich darauf verständigt, offensiv mit den seit zwei Jahren gegen Flick erhobenen Vorwürfen wegen dessen vermeintlicher Geschichtsvergessenheit (siehe Tagesspiegel von gestern) umzugehen. „Wir haben die Verhandlungen in Kenntnis aller Umstände geführt, die mit dem Namen Flick verbunden sind“, erklärte Preußen-Präsident Lehmann gleich zum Auftakt kategorisch. Kulturstaatsministerin Weiss formulierte es anschließend etwas ausgreifender. Sie verstehe nicht, „wie sich eine Konvergenz zwischen der Zeit des nationalsozialistischen Terrorregimes und einer Sammlung zeitgenössischer Kunst herstellen“ lasse. Eine solche „Geiselnahme“ hätten „weder die Künstler noch ihre Arbeiten verdient“. Kunst dürfe „nicht instrumentalisiert werden für das, was in der Geschichte geschehen“ sei. Die Leihgabe Flicks nannte sie „ein Geschenk an uns alle“ und eine „Geste zugunsten der Stadt, die die Spuren des 20. Jahrhunderts in besonderer Weise“ trage.

„Auch von Flicks Seite“, assistierte Wowereit mit Hinblick auf die erregte Debatte vor zwei Jahren in Zürich, sei „nichts ignoriert“ worden. Darauf kam Flick in einem anderen, wichtigeren Zusammenhang zu sprechen. „Sicherlich hat meine Familiengeschichte mich veranlasst, solche Künstler und solche Werke zu sammeln – aber davon muss bei der Präsentation abstrahiert werden.“ Die Einbindung der „Flick-Collection im Hamburger Bahnhof“ – so ihr künftiger Name – wird die Herausforderung für Kustos Eugen Blume sein. Peter-Klaus Schuster, Generaldirektor der Staatlichen Museen, zündete ein rhetorisches Feuerwerk: Die Flick-Sammlung sei „die ideale Fortsetzung unseres Konzepts für den Hamburger Bahnhof. Es sei nun eine „Trias“ vorhanden: die Sammlung Marx als der „klassische Kanon, der unveräußerliche Parnass, mit Beuys, Warhol, Kiefer“; dann die Sammlung Marzona als deren „Ergänzung und Antithese, als Wunderkammer und Archiv“; und schließlich die Flick-Collection als „volle Ladung eines orgiastischen Jahrhunderts.“

Auch die Pointe steuerte, wie stets, Schuster bei. „Für uns“, für die Stiftungs- und Museumsleute, sei „die entscheidende moralische Instanz“ Heinz Berggruen. Ihn habe man nach seiner Haltung gefragt. „Ich kenne Flick“, habe Berggruens Antwort gelautet, „wir sind Nachbarn in Gstaad – und meine Sammlung wollte man in der Schweiz auch nicht haben!“ Wie schön, dass Berlin der Kunst seine volle Gastfreundschaft anträgt!

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