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Kultur: Der Diktator als Opfer: Offenbarungseid: Mishimas "Mein Freund Hitler" in Brandenburg

Vor dem Theater drängeln sich die Fernsehteams und Fotografen, hinter dem Theater hält sich die Polizei bereitet: die Vorabreklame durch das heftige Rauschen im Medienwald hat gewirkt. Bei der deutschen Erstaufführung von Yukio Mishimas Stück "Mein Freund Hitler" wurde irgendwie ein Skandal erwartet.

Vor dem Theater drängeln sich die Fernsehteams und Fotografen, hinter dem Theater hält sich die Polizei bereitet: die Vorabreklame durch das heftige Rauschen im Medienwald hat gewirkt. Bei der deutschen Erstaufführung von Yukio Mishimas Stück "Mein Freund Hitler" wurde irgendwie ein Skandal erwartet. Am Ende blieb nur das irgendwie.

Mishimas Stück wurde 1969 in Tokio uraufgeführt, mit mäßigem Erfolg. Seitdem hat sich noch kein deutsches Theater zu einer Aufführung bemüßigt gefühlt. Mit gutem Grund: ein belangloses Stück. Der Leser schwankt zwischen Amüsement und Entsetzen über diese öde Mischung aus homophilem Sprachkitsch und männerbündlerischer Schwülstigkeit. Da wird von "kräftigen Körpern" phantasiert, das Hohelied von "empfindsam zuckenden Bizeps-Muskeln mit ihren morgenroten Venen" gesungen. All dies gibt Ernst Röhm, Hitlers Stabschef der SA von sich, der Hitler für seinen Ferund hält. Wie Gregor Strasser und der Industrielle Krupp ist er am Vorabend der "Nacht der langen Messer" im Jahre 1934 zu einer Besprechung bei Hitler gerufen worden. Diese Situation diente dem Antidemokraten, Rechtsnationalisten und Verfechter autoritärer Staatsformen Mishima als Folie, vor der er das Verhalten des japanischen Kaisers während eines gescheiterten Aufstandes 1936 kritisieren wollte. Die Person Hitlers interessierte ihn nur als politisch genialen Kopf, der in einer einzigen Nacht seine Getreuen opferte, um seine politische Zukunft zu sichern. Eine für heute wichtige Auseinandersetzung mit dem Faschismus und der Person Hitlers enthält das Stück Mishimas nicht, der nach einem hilflosen Putschversuch für den Kaiser 1970 mittels Harakiri aus dem Leben schied.

Vor der Premiere hieß es, die unmögliche Liebe zwischen Röhm und Hitler sei es, was die Theaterleute am Text interessiere. Verdrängte Homosexualität, verhinderte Künstlerschaft, wohin das führt, wollte man fragen und Hitler als Hampelmann ausstellen. Ein Konzept ist das nocht nicht. Allenfalls ein Zappen durch bekanntes Material. Wer "Mein Freund Hitler" heute in Deutschland inszeniert und dazu noch in Brandenburg mit seinem rechtsradikalen Bodensatz, muss gute Gründe und zündende Ideen haben.

Claude-Oliver Rudolph, als Filmbösewicht bekannter Schauspieler, als Regisseur bisher nicht aufgefallen, hatte weder das eine noch das andere. Seine Inszenierung von "Mein Freund Hitler" ist ein Desaster und zugleich das Ergebnis verfehlter Kulturpolitik, die das einst reputierliche Theater zur Spielwiese künstlerisch verantwortungsloser Hasardeure verkommen läßt. Dass Regisseur Rudolph mit der Speckseite Hitler nach der Medienöffentlichkeit wirft, ist mehr ein als unappetitlicher Vorgang. Dass sein künstlerisches Unvermögen, das Stück als entlarvende Klamotte zu spielen, ihm nur ein hilfloses Zusammenklauben vernutzter Ideen erlaubt, lässt den Abend völlig verkommen.

Ein komischer Effekt ergibt sich allenfalls daraus, dass die Szenerie nicht die Reichskanzlei, sondern ein Kinderzimmer ist. Hier tobt Hitler als kleiner Junge in Lederhose auf den Möbeln herum. Doch alles, was Rudolph an bekannten Mätzchen zitiert, benutzt er ohne tieferen Sinn: außer Imponiergehabe verrät diese Inszenierung mit Schauspielern, die teilweise nicht einmal richtig sprechen können, in keinem Augenblick. Die Aufführung hangelt sich bar jeden inszenatorischen Gefühls von Einfall zu Einfall. Die Aufführung: keine böse, entlarvende Groteske, sondern nur ein peinlicher Kalauer. Der Abend: wirklich ein künstlerischer Skandal. Theater, so obszön in seinem spekulativen Dilettantismus, dass man sich ärgert, überhaupt darüber zu berichten.

Hartmut Krug

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