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Kultur: Der Escudo

Geld, sagt der "Anarchistische Bankier" in der wunderbaren Erzählung von Fernando Pessoa, Geld sei eine gesellschaftliche Fiktion. Und das Bankgeschäft, das Spekulieren die einzig sichere, wahrhaft anarchistische Methode, Geld zu vernichten.

Geld, sagt der "Anarchistische Bankier" in der wunderbaren Erzählung von Fernando Pessoa, Geld sei eine gesellschaftliche Fiktion. Und das Bankgeschäft, das Spekulieren die einzig sichere, wahrhaft anarchistische Methode, Geld zu vernichten.

Zum Thema OnlineSpezial: Der Euro kommt! Euro-Countdown: Die Serie im Tagesspiegel Euro-Memory: Passende Euro-Pärchen finden Ted: Der Euro - mehr Vor- oder mehr Nachteile? Eine portugiesische Geschichte, wahrhaftig. Hat doch das schmale Land am Westrand Europas über Jahrhunderte von der Fiktion seiner einstigen Weltmacht gelebt. Der Escudo singt noch das traurige Heldenlied des Kolonialismus. Bartolomeu Dias auf dem 2000-, Vasco da Gama auf dem 5000-, Dom Henrique auf dem 10 000-Escudo-Schein: die Eroberer, die Weltensegler des Goldenen Zeitalters. Auf der Rückseite die Karavellen, die bauchigen Schiffe der bärtigen Entdecker. Damit ist es aus, endgültig, wenn der Euro kommt, auch auf die Inseln, nach Madeira, auf die Azoren und Kapverden. Die allerletzte Fiktion von Ruhm und Seeräuberei endgültig vernichtet! Fernando Pessoa, der Lissabonner Kafka, zierte früher übrigens auch mal den 100-Escudo-Schein.

Escudo (vom lateinischen scutum, was Schild bedeutet), das klang so gut. Nach Fado, dem Blues der Portugiesen, und nach Figo, dem besten und teuersten Fußballspieler der Welt, der sein Geld in Spanien verdient. Escudo, das macht von Faro und der Algarve träumen und vom Vinho Verde, den man in Portugal trinken muss, weil der spritzige Wein einen längeren Transport nicht übersteht. Fiktionen - bitte! Wofür lebt man sonst?

Ich habe zwei ziemlich entgegengesetzte Erinnerungen an Lissabon. Das eine Mal liege ich in einem Hotelzimmer, mit hohem Fieber, Erbrechen und Durchfall. Ein Arzt wird gerufen, der mir mit zitternder Hand drei Spritzen ins Fleisch jagt, damit ich nach Hause fliegen kann. Der alte Medizinmann akzeptiert als Honorar einen Euroscheck. Das andere Mal sitzen wir in einer Fado-Kneipe in der Altstadt, knabbern Oliven, lassen uns volllaufen und vollschluchzen von einem Dutzend Fado-Artisten, die einander alle zwanzig Minuten abwechseln. Vielleicht waren es ja auch nur sechs Sängerinnen und Sänger, wir haben irgendwann den Überblick verloren und nachher mit der EuroCard bezahlt. So viele Escudos hatten wir nicht gewechselt.

Rüdiger Schaper

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