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Hold it. Whitney Houston macht auf Tina Turner. Foto: Davids/Darmer

© DAVIDS

Whitney Houston: Der Feind in ihr

Whitney Houston inszeniert ihr Scheitern als bizarre, fauchende, letztlich banale Show. Sie war da und hat enttäuscht.

Die Ohren schmerzen, das Herz nicht. Alle Wiedersehensfreude vergeblich, alles Mitzittern umsonst, alle Liebe verfliegt, aller Voyeurismus verpufft, Vergebung will sie keine. Whitney Houston macht Mittwoch in der O2-World einfach nicht mit bei ihrer eigenen Show. Und das, obwohl Großes erwartet wird.

Vergangenen September erschien „I look to you“, ihr erstes Album seit sieben Jahren. Produziert von Clive Davis, der Houston 1983 entdeckte. Wie gewohnt rauschte das ordentliche, aber nicht erstklassige Comeback der Soul-Diva mit der nachgedunkelten Sopranstimme auch in Deutschland auf Platz 1 der AlbumCharts. Dann startete im Dezember in Moskau nach zehnjähriger Konzertpause ihre Welttournee – die Chronik einer angekündigten Katastrophe nahm ihren Lauf.

Die große Whitney Houston, Megaseller mit 170 Millionen verkauften Platten, Ikone der Achtziger, der Unschuldsengel des R’n’B, Kinostar, Coverbeauty, die Sängerin, die die schwarze Musik weiß gemacht hat – diese Frau kann nicht mehr singen, zersägt hohe Töne, ist moppelig, fahrig und lässt Konzerte platzen. Der musikalische Superabsturz eines Superstars, der jahrelang geprügelte Ehefrau, Crackjunkie und magersüchtige Kokserin war.

Dabei scheint in Berlin, am ersten von zehn Deutschlandauftritten, am Anfang alles gut zu gehen. Rund 10 000 Leute jubeln der 46-Jährigen zu. Im hautengen Lederdress zeigt die früher Überschlanke mutig ihre Kurven. Alles beklatscht ihre heisere Stimme. Sogar den effekthascherischen Elektrosound steckt man weg.

Houston liebt alle, Gott, Jesus, Denzel Washington und und und...

Als Opener singt sie zwei UpTempo-Nummern vom aktuellen Album: „For the Lovers“ und „Nothin’ but Love“. Sie zirkelt auf der Bühne, balzt mit den Tänzern, macht das Publikum an, zieht es auf ihre Seite. Whitney ist älter, dicker, kurzatmiger, Whitney singt jetzt Alt statt Sopran. Egal. Die Ballade „I look to you“ klingt mit belegter Stimme noch mal so schmusig. Überhaupt ist viel Liebe in der Halle. „I love you“, schallt es von den Rängen. Houston selbst hat eh kein anderes Thema. Sie liebt alle, Gott, Jesus, Denzel Washington, Lena Horne, Michael Jackson und und und. Nach vierzig druckvollen Minuten, in denen Houston zur Ich-überlebe-alles-Rockröhre à la Tina Turner mutiert, verschwindet sie schnaufend aber bejubelt zum Kleiderwechsel.

Zum zweiten Block kehrt sie in einer weißen Wurstpelle wieder. Dem verunglückten Zitat einer Diven-Robe folgen musikalische und moderative Desaster. Der Abend bröckelt. Beim verfaselten Michael-Jackon-Tribute setzen Pfiffe und Buh-Rufe ein. Noch mehr bei „I love the Lord“, einer verkrächzten Gospelnummer des Grauens. Fast rührend, wie das Publikum für sie die hohen Töne ihres Hits „Saving all my Love for you“ anstimmt.

Doch dann kommt der endgültige Bruch: Whitney Houston inszeniert ihr Scheitern an „Greatest Love of all“ als bizarre, fauchende, letztlich banale Show. Dass sie den Song nicht im Achtziger-Arrangement singen mag – gut. Aber dass sie ihn mutwillig zerstört, ist ärgerlich. Keine Sehnsucht hat sich erfüllt. Weder die nach dem großen Comeback noch die nach der großen Tragödie. Whitney Houston war da. Sie hat enttäuscht.

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