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Kultur: Der Inspirator

Anthropologie der Kultur: zum Tod von Clifford Geertz

Mit seinem umfänglichen, immer wieder ins Philosophische ausgreifenden Werk steht der amerikanische Kultur-Anthropologe Clifford Geertz heute neben Figuren wie Claude Lévi-Strauss als Gründungsvater einer „interpretativen Ethnologie“. Aufgewachsen in San Francisco, diente Geertz 1943–1945 zunächst in der US-Navy, studierte danach Ethnologie in Harvard und unternahm maßgebliche Feldforschungen in Indonesien und Marokko. Geertz untersuchte Hochreligionen wie den Islam, aber auch die rituelle Interaktion schriftloser Kulturen wie das Ritual des Hahnenkampfes auf Bali.

Gelehrt hat Geertz, 1926 in Kaliforniern geboren, an den Universitäten in Berkeley (1958 –1960) und Chicago (1960–1970), wo er 1973 mit seinem Buch „Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme“ zu Weltruhm gelangte. Er entwarf darin eine semiotische Anthropologie, das heißt, er entdeckte den motivierenden Vorrang kultureller Muster über die menschlichen Handlungen. Menschen sind kulturell geprägte Existenzen, bei der Bestimmung des menschlichen Wesens lässt sich nicht von der Kultur abstrahieren. Mit diesen Überlegungen inspirierte Geertz nahezu alle Geisteswissenschaften.

„Kultur als Text“ wurde zum Schlagwort seiner Arbeit, die die darstellende Leistung des Autors mit einbezog. Womit er auch die Literaturwissenschaft auf den Plan rief: Kein Geringerer als der Literaturwissenschaftler Stephen Greenblatt, Begründer des New Historicism, hat sein Werk fortgeführt, unter anderem im Berliner Wissenschaftskolleg. Seit 1970 lehrte Clifford Geertz in Princeton am Institute for Advanced Study, dessen School of Social Science er begründete. Nicht zuletzt die deutschen Diskussionen über Sinn und Zweck von Kulturwissenschaft konnten sich an ihm orientieren. Sein letztes Buch erschien 2000, eine Aufsatzsammlung unter dem nicht nur skeptischen Titel „Available Light“.

Am 30. Oktober ist Clifford Geertz im Alter von 80 Jahren an den Folgen einer Herzoperation in der Universitätsklinik von Pennsylvania gestorben. Mit ihm verliert die wissenschaftliche Welt einen Meisterdenker der Anthropologie.

Claudia Schmölders

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