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Kultur: Der Jazz-Vibraphonist: Vier Schlegel für ein Halleluja - Leichtmetall statt Heavy Metal: Olli Bott hat den Swing in den Fingern

Oli Bott ist beliebt bei seinen Nachbarn - was im Grunde ja nichts Besonderes ist bei einem charmanten jungen Mann wie ihm. Es verwundert aber doch, denn Oli Bott ist Musiker und zwar einer ohne Proberaum, einer der mehrere Stunden am Tag zu Hause Musik macht.

Oli Bott ist beliebt bei seinen Nachbarn - was im Grunde ja nichts Besonderes ist bei einem charmanten jungen Mann wie ihm. Es verwundert aber doch, denn Oli Bott ist Musiker und zwar einer ohne Proberaum, einer der mehrere Stunden am Tag zu Hause Musik macht. Wahrscheinlich liegt es an seinem Instrument, dass er - im Gegensatz zu den Heavy Metal-Gitarristen aus dem dritten Stock - im Treppenhaus freundlich gegrüßt wird. Denn Oli Bott ist Vibraphonist.

Er weiß über das Vibraphon - "damit das jetzt endlich mal in der Zeitung steht, und ich nicht jeden Tag von neuem gefragt werde" -, dass es ein 1907 entwickeltes Schlaginstrument ist, dessen nächster Verwandter Xylophon heißt. Aber anders als bei diesem sind die 37 Platten nicht aus Holz, sondern aus Leichtmetall. Unter den Platten befinden sich Resonanzröhren, in denen Drehklappen angebracht sind, die mit einem Elektromotor angetrieben werden. Sie bewirken das typische An- und Abschwellen des Klanges, der ein wenig an das imposante Schwingen von Kirchenglocken erinnert. Oli Bott gehört zu den wenigen Vibraphonisten, die es in Deutschland gibt. Und wer den 26-Jährigen mit seinem Quartett, der "Oli Bott-Bertrand Lauer Band", gesehen hat, kann nicht umhin, ihn auch für einen sehr guten zu halten. Ein Besessener mit vier Schlegeln, der in Anzug und Krawatte gekleidet am Vibraphon die Sau raus lässt. Ein Derwisch, der so schnell auf die Platten eintrommelt, dass man ihn kaum noch sieht, was sein Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreißt.

Bott hat sich dem Jazz verschrieben, der einzigen Musik, in der das Vibraphon ein eigenständiges Melodie-Instrument ist. Gelernt hat er bei Gary Burton, dem "Gott der Vibraphonisten", am Berklee College of Music in Boston. Vor vier Jahren schloss er hier das Studium der Jazzkomposition mit einem summa cum laude ab. Burton prophezeite seinem Schüler aus Eppstein im Taunus damals eine große Karriere und bisher hat Bott seinen Mentor nicht enttäuscht. Sein Lebenslauf listet eine lange Reihe nationaler und internationaler Auszeichnungen auf. Zuletzt erhielt er den 1. Preis beim "Leipziger Improvisationswettbewerb". Oli Bott spielt nicht nur Vibraphon, er dirigiert auch eine Big Band, das "Oli Bott Orchestra". Die zwanzigköpfige Truppe spielt ausschließlich die Kompositionen ihres Chefs: Moderne - Bott sagt "motivige" - Stücke, die sich aus klassischen Kompositionen entwickeln, von Maurice Ravel oder Olivier Messian. "Ich möchte Musik machen, bei der man erfährt, wie ich bin und nicht im Vordergrund steht, was ich alles kann. Die besten Ideen habe ich auch nicht am Schreibtisch, sondern beim Fahrrad fahren."

Wenn man Oli Bott trifft, wie er auf dem Fahrrad im Prenzlauer Berg umher radelt, hält man ihn für einen eher unauffälligen Menschen. Erlebt man ihn wild am Vibraphon oder mit seinem Orchester - sieht wie gelassen und doch bestimmt er seine Musiker führt -, beginnt man an das Klischee vom Künstler zu glauben, der einzig in seiner Arbeit lebt. Von seiner Arbeit leben ist indes für Bott nicht leicht. Denn Vibraphonisten gehören nicht zu den gefragtesten Musikern. "Und in Berlin haben es Berliner Jazzmusiker ohnehin schwer. Würde ich den Clubbetreibern erzählen, ich käme aus Chicago, dann wären die gleich ganz heiß." So verbringt Bott mehrere Stunden am Tag damit, Engagements für seine Bands zu organisieren. Das ist dann die Zeit, in der seine Nachbarn Einkaufen gehen - um wieder da zu sein, wenn Oli Bott zu den Schlegeln greift.

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