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Michael Fassbender

© Prokino/dpa

"Slow West" mit Michael Fassbender: Der Kindskopf und der Desperado

Klassisch und wortkarg: John MacLean schickt in seinem Western „Slow West“ zwei ungleiche Helden auf die Reise durch den amerikanischen Mittelwesten - mit Michael Fassbender als Outlaw.

Eine Zufallsbegegnung in der amerikanischen Prärie des Jahres 1870. Der 16-jährige Schotte Jay Cavendish, ausgerissen von zu Hause, trifft einen seltsamen Indianerforscher, der ein Buch über die Ausrottung der Ureinwohner schreiben will. „Und, was gibt es Neues im Osten?“, will Werner von dem Jungen wissen. „Gewalt und viel Leid“, antwortet Jay. „Und im Westen?“ Werner entgegnet: „Tränen und Schinderei.“ Sie sitzen bis in die Nacht am Lagerfeuer, dann zieht Werner sich in seinen Wagen zurück, während sich Jay neben das Feuer zum Schlafen legt. Als er am nächsten Morgen aufwacht, sind sein Pferd, seine Pistole und seine Kleidung verschwunden. Nur einen Zettel hat Werner dagelassen. Auf ihm steht „Westen“, daneben ist ein Pfeil gemalt.

Westen, das ist die Richtung, die schon die klassischen Western eingeschlagen haben. Aus der Zivilisation in die Wildnis, dorthin, wo die Abenteuer warten. Auch „Slow West“, der erste lange Spielfilm des Schotten John Maclean, folgt diesem Muster. Der von Kodi Smit-McPhee gespielte Jay reitet seiner großen Liebe, einem Mädchen namens Rose, und ihrem Vater hinterher, die in Colorado ein neues Leben beginnen wollen. Auf dem Weg zu ihnen begegnet der Halbwüchsige Revolverhelden und Indianern, mehrmals wird er beinahe getötet, und er lernt, dass er niemandem vertrauen darf.

Nach dem Überleben kommt - der Tod

Der Film beginnt im Märchenton und mit der aus dem Off gesprochenen Zeile „Es war einmal“, und tatsächlich wirkt Jay in seiner Mischung aus Kindskopf und Romantiker wie ein Wiedergänger des Überlebenskünstlers Hans im Glück. Er schläft, den Revolver in der Hand, unterm funkelnden Sternenhimmel und memoriert die Sternbilder, die er Rose zeigen möchte. Die einzigen Hilfsmittel bei seiner Expedition sind ein Kompass und das Handbuch „Auf nach Westen“. Als er von drei Gangstern überfallen wird, die abgerissene Nordstaatleruniformen tragen, faucht er erbost: „Sir, ich bin Brite“. Gerettet wird er von dem Desperado Silas, der erkannt hat: „Du brauchst Schutz, ich bin ein Beschützer.“

Hundert Dollar verlangt der Bodyguard für seine Dienste, fünfzig sofort und fünfzig nach der Ankunft am Ziel. Michael Fassbender verkörpert Silas so wortkarg wie cool, das Zigarillo, das er unentwegt im Mundwinkel trägt, erinnert an die Schurken der Italo-Western, an Lee van Cleef oder Klaus Kinski. Dass Jay einer Frau hinterherreist, die er noch nicht „gehabt“ hat, findet Silas kurios. Umgekehrt hat Jay für den gefühlskalten Silas nur Mitleid übrig. „Es gibt mehr als nur das Überleben“, sagt der Junge zum Outlaw, und der entgegnet: „Ja, da ist noch der Tod.“ In Wirklichkeit geht es Silas allerdings nur um die 200 Dollar, die auf die steckbrieflich gesuchte Rose und ihren Vater ausgeschrieben sind. Tot oder lebendig. Und hinter der Belohnung sind auch noch einige andere Kopfgeldjäger her.

Die Liebe siegt, allerdings anders als erwartet

John Maclean, der als Keyboarder der Indierockformation The Beta Band bekannt wurde, hat Videoclips und zwei Kurzfilme mit Michael Fassbender gedreht. Bei dem konsequent langsam und geradlinig inszenierten „Slow West“ spielt er mit den Regeln des Genres. Während Jay und Silas recht wortkarg ihrem Ziel entgegenreiten, bleibt genug Zeit, um die Schönheit der Steppen-, Fels- und Berglandschaften des amerikanischen Mittelwestens zu bewundern (Drehort hierfür war allerdings Neuseeland). Immer wieder gibt es Slapstickeinlagen, etwa, wenn die Helden, durchnässt von einem Wolkenbruch, die Reise in Unterwäsche fortsetzen. Der Film läuft ganz altmodisch auf ein Shootout hinaus. Es siegt die Liebe. Aber anders als erwartet.

Cinemaxx, FaF, Kant; OmU: Odeon, Hackesche Höfe, International, Passage, Kulturbrauerei und Rollberg

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