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Kultur: Der Kommunekurtl

Zum 100. Geburtstag des neusachlichen Malers Curt Querner

Besonders feinsinnig sieht er nicht gerade aus, mit seinen zusammengekniffenen Augen und dem breiten Schädel unter der Schiebermütze. Der Maler Curt Querner, der heute vor 100 Jahren im sächsischen Dorf Börnchen am Nordrand des Erzgebirges geboren worden ist, malte sich 1930 als working-class hero. Das Proletarische galt damals als schick. Richard Müller, der „Kunstunteroffizier“ im Malsaal der Dresdener Akademie (George Grosz), hatte ihm den sezierenden Blick eingepaukt; die finstere Attitüde des Bildnisses hingegen verdankt sich seinem, wenn auch nur kurzzeitigen, Lehrer Otto Dix.

Dabei hatte Querner allen Grund, als zorniger junger Mann aufzutreten. Beide Eltern sind taubstumm; der Vater, gelernter Schuster, malocht in einer Fabrik. Um sein Malereistudium zu finanzieren, geht Querner mit Kälberstricken hausieren. Die zwölf Kilometer von Börnchen nach Dresden bewältigt der passionierte Wanderer oft zu Fuß. 1930 tritt er in die KPD und in die ASSO, die Assoziation revolutionärer Bildender Künstler, ein. Dass er weit mehr war als nur der „Kommunekurtl“ – so Querner später ironisch über sich selbst –, beweist von morgen an eine Ausstellung von rund fünfzig Gemälden in der Dresdener Galerie Neue Meister.

Querner ließ sich weder auf soziale Themen noch auf die altmeisterliche Lasurtechnik seiner Professoren festlegen. Zwar ist auch er ein Fanatiker des Konkreten. Doch die Selbstgewissheit früher Programmbilder wie des „Agitators“ (seit 1963 in der Ost-Berliner Nationalgalerie) stört schon das 1930 entstandene Doppelbildnis „Gina und ich“. Das Ambiente, in dem sich Querner mit seiner Braut zeigt, ist nicht gerade bürgerlich. In der Modellierung des Fleisches, in der Lichtregie, dem malerisch vorgetragenen Gegensatz der Geschlechter erweist er sich allerdings als überzeugter Erbe akademischer Traditionen.

Zudem als eifriger Museumsgänger. Teppichbunte Landschaftshintergründe beschwören die alten Niederländer, das 1939 gemalte Ganzfigurenporträt seiner Frau Rubens, Velázquez und van Dyck. Das tiefe, stumpfe Rot ihres Kleides feiert – mit den beschränkten, aber entschiedenen Mitteln der Malerei – pure Sinnlichkeit: „Die Gina von 1940–43 steht strahlend vor meinen Augen. Da kamen alle nicht mit“, schwärmt er noch Jahre später in seinem Tagebuch.

Der mittellose Maler überwinterte im „Dritten Reich“ als Regionalist. Damals wandte er sich bäuerlichen Themen zu – ohne in seinen naiven Ackerapologien Blut und Boden zu verherrlichen. Merkwürdig fern erscheinen uns diese Säenden und Pflügenden trotzdem. In den Fünfzigerjahren knüpfte Querner – inzwischen endgültig nach Börnchen zurückgekehrt – an solche Sujets an. Und macht doch etwas ganz anderes daraus: eine Art autarken sächsischen Spätexpressionismus. Curt Querner starb, zuletzt geachtet und auch ein wenig gefürchtet, 1976. Sein eigener Kopf bewahrte ihn auch später davor, als Mitläufer zu enden.

Dresden, Galerie Neue Meister, Brühlsche Terrasse, bis 26. Juli. Tägl. 10-18 Uhr. Katalog, Deutscher Kunstverlag, 15,50 €.

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