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Kultur: Der Kreativ-Faktor

Zwischen Hochschule und Öffentlichkeit: Die Mart-Stam-Stiftung fördert junge Künstler

Eine junge Frau liegt auf der Straße. Passgenau eingebettet in das Kopfsteinpflaster, die Augen geschlossen, entspannt. Autos sind nicht in Sicht, aber irritierend ist das Plakat allemal. „Ein lohnender Weg, Geld mit Gewinn anzulegen – in Kreativität“ ist da zu lesen und die Internetadresse der Mart-Stam- Stiftung. „Straßen sind ja Wege, auf denen wir uns fortbewegen, und das ist eine kreative Straße. Das dokumentiert, dass du mit Kreativität weiter kommst. Dass Kreativität ein Teil der Infrastruktur ist“, sagt Heik Afheldt, Vorsitzender der im Herbst 2010 gegründeten Stiftung.

Fragende Gesichter löst bisweilen auch der Namensgeber aus. „Mart Stam sagt Ihnen nichts?“, entgegnet Afheldt in solchem Falle schmunzelnd: „Sie haben sicher schon einmal auf einem gesessen. Auf dem Freischwinger!" Denn gleich ob Marcel Breuers Cesca oder Mies van der Rohes Weißenhof-Stuhl – der Ursprung des berühmten und oft plagiierten Sitzmöbels geht auf Mart Stams 1926 entworfenen Gasrohrstuhl zurück. Der Urheberrechtsstreit war mit 36 Jahren einer der längsten in der Rechtsgeschichte der Bundesrepublik.

Den 1899 geborenen Architekten, Designer und einstigen Direktor der Kunsthochschule Weißensee der Vergessenheit zu entreißen, die Kunsthochschule und begabte Studenten zu fördern, ist denn auch erklärtes Ziel der 1994 gegründeten Mart- Stam-Gesellschaft, aus der die Stiftung für Kunst und Gestaltung hervorgegangen ist. Zwar währte die Amtszeit des radikalen Querdenkers und Pioniers des Neuen Bauens lediglich zwei Jahre – 1952 wurde der Holländer von der DDR-Obrigkeit als ,Formalist’ geschasst – dennoch setzte Mart Stam wesentliche Impulse. „Im Grundstudium können alle alles hören. Von der Religionsgeschichte bis zur Medientheorie. Das ist nach dem Bauhaus-Prinzip aufgebaut und auch die große Bedeutung der elf Werkstätten“, sagt Afheldt und erzählt begeistert vom anwendungsorientierten Ansatz, von der Synergie zwischen Bildhauerei und visueller Kommunikation oder von dem Wirtschaftswissenschaftler, der Kunst-, Design- oder Bühnenbild-Studenten die Grundlagen der Existenzgründung vermittelt. Und natürlich vom Nachwuchs, der von hier aus Erfolgsgeschichte schreibt. Das Modelabel c.neeon, die Designagentur anschlaege.de oder Michael Sonntag, der neue Star am Modehimmel, sind nur einige der Absolventen, die mit dem seit 1997 verliehenen Mart-Stam-Förderpreis ausgezeichnet wurden. Außerdem gibt es Stipendien, Finanzhilfen für Studienreisen oder für Ausstellungen wie jüngst „Die Stadt der anderen“, mit der 15 Studenten von Stefan Koppelkamm, Fotograf und Professor für Visuelle Kommunikation, im Freien Museum gastierten. „So ein Ausstellungsprojekt mit Katalog hat ein Volumen von etwa 12 000 Euro. Wenn man dafür an Sponsoren herantritt, ist die Stiftung der seriösere Partner. Abgesehen davon, dass man die Zuwendungen steuerlich geltend machen kann“, sagt Heik Afheldt.

Seit zwölf Jahren ist der Netzwerker in der Mart-Stam-Gesellschaft aktiv. Woher die Motivation für sein Engagement rührt? „Eigentlich wollte ich ja Architektur studieren. Dann bin ich aber nur ein schnöder Sozialwissenschaftler geworden“, lacht der 74-Jährige. Als solcher gehörte er über Jahrzehnte dem Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos an und war Herausgeber diverser Zeitungen – von 1998 bis 2002 auch des Tagesspiegels. Für den Wirtschaftsteil (siehe heute Seite 17) schreibt er nach wie vor Kolumnen. Er arbeitet als Wirtschaftsberater und ist seit 2006 Honorarprofessor für angewandte Zukunftsforschung in Weißensee.

„Die Kunsthochschule war nach dem Mauerfall ja zunächst das Aschenputtel im Schatten der Universität der Künste“, sagt Daniel Wall, Mitbegründer und stellvertretender Vorsitzender der Mart-Stam-Stiftung. „Fast hätte man sie ganz aufgegeben. Aber das ist ein solches Juwel, das wollen wir in der Öffentlichkeit bekannter machen. Außerdem macht es Spaß, mit den jungen Talenten in Verbindung zu kommen. Sie zu fördern, ist eine lohnende Aufgabe – über den Tag hinaus.“

Wir treffen uns im neunten Stock der Wall AG, von wo man einen beeindruckenden Panoramablick genießt. Über eigene Räumlichkeiten oder ein eigenes Organisationsbüro verfügt die Stiftung nicht. Noch nicht, möchte man denken. Denn das Stiftungskapital ist mit 60 000 Euro zwar eher bescheiden, doch hat das mittlerweile sechsköpfige Kuratorium es binnen dreier Monate schon verdoppelt.

Weitblick als Unternehmer und die Unterstützung des Kreativpotenzials gehören für den 1966 geborenen Daniel Wall, der den Werbekonzern seit 2007 leitet, zusammen. „Das ist erst einmal eine Herzensangelegenheit. Aber auch für unsere Philosophie – also die urbane Lebensqualität in Städten zu verbessern – sind Kunst und Gestaltung ein wichtiges Argument. Außerdem entscheiden sich immer mehr Kunden für engagierte Unternehmen, die etwas bewegen."

Im öffentlichen Bewusstsein ist das noch viel zu wenig verankert, findet Heik Afheldt und bringt es auf den makroökonomischen Punkt: „Berlin ist so stolz, Kunstmetropole und Stadt des Designs zu sein. Man redet dauernd von Exzellenzinitiativen. Aber der entscheidende Faktor, nämlich kreative Lösungen zu finden, findet in dieser Betrachtung überhaupt nicht statt. Exzellenz heißt immer, dass Naturwissenschaftler gefördert werden und das ist eine irre Verengung dessen, nicht nur, was eine Stadt bedeutsam macht, sondern auch dessen, was für die Wirtschaft wichtig ist.“

Zukünftig will man den Kreativ-Faktor als Transferstelle zwischen Praxis, Öffentlichkeit und Kunsthochschule attraktiver und effizienter machen und eines Tages vielleicht sogar eine Stiftungsprofessur einrichten. „Wir sind erst am Start und brauchen noch viele weitere Mitstreiter. Aber da bin ich optimistisch, weil die Story und die Inhalte stimmen“, sagt Wall. Afheldt sieht das genauso: „Das Bedürfnis, Kreativität zu unterstützen, ist da. Man muss es nur wecken.“

Mart-Stam-Stiftung, Bühringstr. 20, 13086 Berlin. www.mart-stam-stiftung.de

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