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Kultur: Der Mann, der Capote war

Eine kurze Begegnung mit dem Oscar-Kandidaten Philip Seymour Hoffman

Über diesen Witz kann er nur müde lachen. Der Film „Capote“ sei seine persönliche „Truman Show“? Die Anspielung auf Peter Weirs Film entlockt Philip Seymour Hoffman nur einen zweisilbigen Ausbruch höflicher Heiterkeit. „Ha, ha.“ Wohl nicht zum ersten Mal wird ihm das Wortspiel präsentiert worden sein, man kann ihn verstehen.

Ansonsten muss man schon sehr die Ohren spitzen in diesen 15 Minuten im Ritz-Carlton, eingeklemmt am runden Tisch mit neun anderen Journalisten und immerhin Hoffman alias Capote – dem hochgehandelten Oscar-Kandidaten dieses Jahres. Als Schriftsteller im Film pflegt er eine manieristische, die Konsonanten und Vokale sorgfältig ziselierende Artikulation, hier in der Frage-Viertelstunde aber kriegt er kaum die Zähne auseinander – gefällt sich in einschläferndem Sermon, der mitunter fast zum Gemurmel herabsinkt. Einer in der Runde fühlt sich an Tom Waits erinnert – auch er erntet ein höfliches „Ha, ha“. Das Aussehen überrascht ebenso: Haar- und Barttracht doch sehr leger, ganz anders als bei dem geschniegelten Poeten.

Den hatte Hoffman vor dem Film eigentlich kaum gekannt, jedenfalls nicht seine Bücher. Auch „Kaltblütig“, Capotes Rekonstruktion der Ermordung einer Farmer-Familie in Kansas, hatte er erst nach Lektüre des Drehbuchs gelesen. Erschöpfend sei die Rolle gewesen. Monatelang hat er sich darauf vorbereitet, Fernseh- und Radiomitschnitte von Auftritten Capotes studiert, um dessen ausgefallene Form der Körpersprache und Artikulation zu erlernen. Aber es sei kein Dokumentarfilm, habe doch viel Freiheit zur Interpretation der Rolle geboten. Ob der Oscar, falls er ihn denn bekommt, viel ändere in seinem Leben? Das glaubt er nicht, wozu auch. Mit seiner Karriere könnte es doch kaum besser gehen.

Für den Film „Capote“ mag die Aufführung am Freitagabend im Berlinale-Palast eine Festivalpremiere gewesen sein, für die Filmfigur Capote war sie dies nicht. Schon einmal, 1993 im Zoo-Palast, war er bei einer Bären-Gala kurz auf der Leinwand aufgetaucht – freilich nicht als erfolgreicher Schriftsteller, sondern als kleiner Junge in einem Südstaaten-Kaff, Schauplatz des Films „Wer die Nachtigall stört“. Vor dessen Aufführung hatte Hauptdarsteller Gregory Peck einen Ehrenbären erhalten.

Der Film geht auf den gleichnamigen Roman von Pulitzer-Preisträgerin Nelle Harper Lee zurück, einer Freundin Capotes aus Kindertagen, in Bennett Millers Film dargestellt von der jetzt ebenfalls zur Berlinale angereisten Catherine Keener. Lee hatte in dem Roman Erinnerungen an ihre Jugend verarbeitet. Im Buch wie auch im Film taucht ein Junge namens Dill Harris auf, zu dem der kleine Truman das Vorbild war.

Es ist also für Berlinale-Veteranen schon eine kuriose Vermischung von Vergangenheit und Gegenwart, Erinnerung und Erleben, wenn in „Capote“ der Titelheld erst mit Nelle Harper Lee wiederholt über das Voranschreiten ihres Roman spricht und dann sogar an der US-Premiere der Verfilmung mit Gregory Peck teilnimmt.

Dieser hatte in seiner Dankesrede 1993 im Zoo-Palast natürlich auch von den Dreharbeiten berichtet. Schon am ersten Tag sei Nelle Harper Lee zu Tränen gerührt gewesen, weil er als Anwalt Atticus Finch sie so sehr an ihren Vater erinnerte. In dem Film spielte auch eine Uhr eine Rolle, als Requisit wurde die alte Uhr von Lees Vater genommen, anschließend schenkte die Schriftstellerin sie dem Schauspieler. Für seine Rolle erhielt Gregory Peck damals einen Oscar. Die Uhr aber, so hat er später bekannt, habe ihn viel stolzer gemacht.

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