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Kultur: Der Million-Dollar-Mann

Protokoll einer Implosion: Richard Kwietniowskis „Owning Mahowny“

Von Susanna Nieder

Dan Mahowny (Philip Seymour Hoffman) ist ein genialer Banker. Kunden, Vorstände und Prüfer vertrauen ihm blind; mit gerade 30 ist er halb so alt wie die anderen Direktoren der ehrwürdigen Bank in Toronto, bei der er arbeitet. Es ist 1982, und alle Zeichen stehen auf Boom. Mahownys klappriges Auto, seinen schäbigen Anzug, die abgeschabte Aktentasche tut man als Marotten ab.

Doch der Mann, der so ruhig und zuverlässig wirkt, gleicht in Wirklichkeit einem Autofahrer, der mit Vollgas auf eine Wand zurast. „Owning Mahowny“ (Regie: Richard Kwietniowski) beginnt an dem Tag, an dem er den Boden unter den Füßen verliert. In der Abgeschiedenheit seines Büros überschreibt er sich viel Geld, das nicht ihm gehört. Er begleicht davon Wettschulden – damit ihn sein Buchmacher weiter wetten lässt. Denn Mahowny spielt. Und verliert.

„Owning Mahowny“ verfolgt den schwindelerregenden Fall des spielsüchtigen Bankers wie in Zeitlupe. Seine enorme Spannung bezieht der Film nicht aus der Frage, wie es weitergeht, sondern aus der Darstellung des Unausweichlichen. Die großflächigen Bilder, die melancholische Saxofonmusik, die aufs Wesentliche reduzierte Handlung – all das spiegelt die ruhige Fassade wider, die Mahowny seiner Umwelt präsentiert. Sein Leben explodiert nicht, es implodiert. Philip Seymour Hoffman, grandioser Nebendarsteller aus Filmen wie „Magnolia“ (1999) „Almost Famous“ (2000) oder „25 Stunden“ (2002), spielt diesen stummen Tanz auf dem Vulkan wie ein Schlafwandler, der von einer bösen Macht getrieben wird. Minnie Driver als seine rührende Verlobte Belinda, die ihm auch nach den größten Vertrauensbrüchen treu bleibt, verkörpert perfekt das normale Leben, dem Mahowny fast abhanden kommt.

Mit dem Geld, das er veruntreut – bald sind es Millionen, und immer noch bemerkt niemand etwas – reist Mahowny in die großen Casinos der USA, eine hermetisch in sich geschlossene Welt, in der sich seine Besessenheit erst richtig entfaltet. John Hurt spielt den tadellos gekleideten, messerscharf frisierten Casinochef von Atlantic City wie einen Hai im Anzug: Wer ihm nützt, dem schenkt er sein klirrend kaltes Lächeln, wer ihm im Weg steht, dem bricht er das Genick. Während Mahowny immer panischer zwischen seiner bürgerlichen Existenz und der Schattenwelt der Spielcasinos hin und herpendelt, begreift man: Der Casino-Boss und die soignierten Bankvorstände unterscheiden sich im Grunde nicht voneinander. Der Rubel soll rollen – egal, wer dabei unter die Räder kommt.

Doch „Owning Mahowny“ ist nicht nur die Geschichte eines Sündenfalls, sondern auch die einer Rettung. Dan Mahowny, dessen Story übrigens auf eine wahre Begebenheit zurückgeht, findet schließlich aus seiner Parallelwelt in die Wirklichkeit zurück, und auch diese Wendung vollzieht sich ohne jede Effekthascherei. Dies ist ein stiller Film – und trotzdem verlässt man das Kino mit dem Gefühl, nach einer irrsinnigen Achterbahnfahrt wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

Filmkunst 66, fsk am Oranienplatz (beide OmU)

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