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Kultur: Der Piktomane

Andreas Seltzer ist einer, der den Alltag erforscht.Bei seinen Streifzügen stolpert er unentwegt über Versuchsfelder für seinen künstlerischen Entdeckerdrang.

Andreas Seltzer ist einer, der den Alltag erforscht.Bei seinen Streifzügen stolpert er unentwegt über Versuchsfelder für seinen künstlerischen Entdeckerdrang.Der Berliner Zeichner, Schriftsteller, Flaneur, Sammler und Archivar betätigt sich als Wertschöpfer des Banalen.Seltzer ist ein Piktomane.Was er in den Niederungen des Alltäglichen zu Tage fördert, bereitet er mit Vorliebe für Materialvielfalt und absurde Details auf.Es wird mit Akribie einem Ordnungsschema unterworfen, inventarisiert und katalogisiert.Sei es Regenbekleidung, "Mein Zoo", oder "Zimmerpflanzen": Seltzers anthologische Fundstücksammlungen, Wunderkammern und Raritätenkabinette, sie erschließen dem Betrachter überraschende Sinnzusammenhänge und verschieben die Perspektiven unserer Wahrnehmung.

Für seine Ausstellung bei Urban Issue e.V., Titel: "Stadtmission", Untertitel: "Tischgebete" hat er diesmal selbst zu Zeichenfeder und -pinsel gegriffen.Auf zwölf Tischen präsentiert er jeweils einen minutiös ausgearbeiteten Stadtplan unter Bürolampen wie eine Schreibtischunterlage.Man muß sogleich an Mönchszellen denken, an die asketische Arbeitsdisziplin der Miniaturmaler im Schreibsaal eines mittelalterlichen Klosters.Seltzer, der Piktomane, wird nun zum Pfadfinder seiner eigenen Vorstellungskraft.Mit akkuraten geraden Strichen entwirft er Pläne der imaginären Topographien fiktiver Städte.Wie an geheimnisumwitterten Schatzkarten entzündet sich an ihnen die Phantasie des Betrachters.Das verwaschene, für viele Straßenzüge Berlins charakteristische Ockergelb findet sich in den Gouachen als Grundton wieder.Blau gestrichelt tauchen Wasserwege und künstliche Seen mit imaginären Inseln und Spazierwegen auf, wie sie Städteplaner in der Realität leider nie in den Sinn kämen.

Man folgt seinen mal strichgeraden, mal arabesk verschlungenen Straßen, den labyrinthischen Irrwegen und ornamentalen Wegnetzen zu den Grundrissen sternförmiger Festungen und Gebäude, die sich zu Geheimzeichen oder Buchstaben eines altertümlichen Alphabets formieren.Seltzers Karten entstehen weder parallel zur Natur noch parallel zu Meßtischplänen aus den Plankammern der Wirklichkeit.Seltzer unterwirft sich der Disziplin der Linie mit der Haltung eines Künstlers, nicht mit der eines Buchhalters: "Die weißen Flecken sind von unseren Landkarten verschwunden.Es ist Aufgabe des Künstlers, dafür zu sorgen, daß es sie weiterhin gibt."

Urban Issue e.V., Alte Schönhauser Str.4, bis 8.November, Di 21 - 23 Uhr, Do - Sa 20 - 23 Uhr, So 16 - 20 Uhr.

ELFI KREIS

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