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Kultur: Der Preis der Vielfalt

Wenn auf europäischer Ebene über das Verhältnis von Kultur und Wirtschaft debattiert wird, herrscht ein eigenartiges Klima.Es treffen Leute aufeinander, die es allesamt gut meinen, die zwischen den Interessen vermitteln und einer Partnerschaft des gegenseitigen Vorteils wider jedes Vorurteil das Wort reden.

Wenn auf europäischer Ebene über das Verhältnis von Kultur und Wirtschaft debattiert wird, herrscht ein eigenartiges Klima.Es treffen Leute aufeinander, die es allesamt gut meinen, die zwischen den Interessen vermitteln und einer Partnerschaft des gegenseitigen Vorteils wider jedes Vorurteil das Wort reden.Kurz: Es herrscht Konsensklima.Doch soviel Konsens hat dann schon wieder seine Tücken.

Obwohl Europa sich im Kern als eine heterogene Kulturgemeinschaft versteht, ist es praktisch ein Wirtschaftsverbund, der sich, angesichts von Globalisierung und amerikanischer Weltmarktdominanz, auf eine Profilierungskrise zubewegt.In der Europäischen Union wächst deshalb das Bedürfnis, den Stellenwert Europas durch die Förderung seines kulturellen Erbes zu erhöhen und über den Umweg der regionalen Kulturpflege die europäische Integration zu stärken.So ist es gewissermaßen ein Reformversuch von unten, der sich in den europäischen Verwaltungsapparat hineinschleicht.Mithin verbarg sich hinter dem Motto "Kultur als Wirtschaftsfaktor" nicht so sehr ein Managertraining in Sachen Kulturförderung und -sponsoring, als viel eher eine politische Verzweiflungsformel.Denn die europäische Regionen-Lobby, die zum 6.Wirtschaftsforum der Regionen nach Weimar geladen hatte, fühlt sich im Stich gelassen und sucht nach Wegen, ihre kulturellen Schätze vor dem Verfall zu bewahren.

Nun kann ja die öffentliche Hand für solche Aufgaben nicht mehr einstehen oder konzentriert sich in erster Linie auf die Förderung der Hochkultur.Also suchen die Kommunen neue Partner.Wo, wenn nicht in der Kulturhauptstadt Europas 1999, tritt der wirtschaftliche Nutzen einer Stadt - mit Namen wie Bach, Cranach, Wieland und den Protagonisten der Weimarer Klassik Goethe und Schiller sowie dem mit dem Bauhaus verknüpften kulturellen Kapital - so augenfällig in Erscheinung? Die Wirtschaft hat das Geld, aber der Kultur gehört die Zukunft: Auf diese Zauberformel könnte man die zahlreichen politischen Appelle des Forums verkürzen, die die Kultur zu ihrem Schlüsselwort für die regionale Entwicklung Europas erhoben.Nicht gegeizt wurde dabei mit finsteren Zukunftsprognosen, die in der kulturellen Vielfalt des neuen und alten Europa das letzte Bollwerk gegen eine hemmungslose und schrankenlose Globalisierung sehen.Es liegt nahe, Kultur als einen von der Geschichte angespülten Rohstoff zu betrachten und sie als "weichen Standortfaktor" dem Investitionskalkül der Unternehmen anheimzustellen.Doch die Traditionspflege könnte sich als Sackgasse erweisen.Auch dafür ist Weimar ein Beispiel.So liegt die Arbeitslosenquote der mit beträchtlichen Mitteln der EU, des Bundes und des Landes Thüringen renovierten Stadt mit vierzehn Prozent nur unerheblich unter dem Landesdurchschnitt.Noch ist nicht zu erkennen, daß Weimars "Schätze" in kreative Zukunftsprojekte umgesetzt werden, die über das Kulturstadt-Jahr hinaus Perspektiven entwickeln.

Viel war, zwischen Baulärm und Staubwolken, die Rede vom inspirierenden Effekt, den der kulturelle Reichtum auf die wirtschaftliche Entwicklung einer Region ausüben kann.So betonte der Thüringer Wirtschaftsminister Franz Schuster, die Marktwirtschaft sei auf Werte angewiesen, "die sie selbst nicht hervorbringen kann".Kultur ist ein Wirtschaftsfaktor, der Arbeitsplätze schafft und Reichtum produziert.Außerdem erweitert sie den Bildungshorizont und trägt zur Selbstverständigung der Bevölkerung bei.Nur eines ist sie gewiß nicht: eine Waffe im Kampf um die politische Einheit.Denn was Europäer einander im Namen ihrer "kulturellen Identität" antun können, darüber waren sich die Politiker aus 25 Staaten angesichts des Kosovo-Krieges einig.

KAI MÜLLER

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