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Maxim Emelyanychev am Donnerstag mit den Berliner Philharmonikern

© Bettina Stöss

Der russische Heißsporn: Maxim Emelyanychev debütiert bei den Berliner Philharmonikern

Ihm geht ein Wunderkind-Nimbus voraus. Jetzt stand der russische Dirigent Maxim Emelyanychev erstmals am Pult der Berliner Philharmoniker, mit einem reinem Mozart-Programm. Ein Reality Check.

Eine Bugwelle an Erwartungen begleitet das Pultdebüt des 34-jährigem Maxim Emelyanychev bei den Berliner Philharmonikern: Spitzname „Mozart“ im Knabenchor von Nischni Nowgorod, erste Dirigate mit zwölf, Cembalist unter Teodor Currentzis, angeblich Künder eines jungen, modernen Mozartsbildes. Bei der „Figaro“-Ouvertüre in der Philharmonie zeigt sich, was das vor allem erst mal bedeutet: halsbrecherisches Tempo, bei dem einzelne Töne wie schrille Springteufel hervorschnellen. Alles vorbei, bevor man nur Luft holen und sich fragen kann, ob einem das jetzt gefällt. Emelyanychev präsentiert sich als Heißsporn, der physisch aufs Ganze geht, mit den Fingern akribisch jeden Augenblick modelliert.

Dass er durchaus auch einen Gang zurückschalten kann, beweist er in mehreren Arien aus Opern Mozarts oder im „Et incarnatus est“ aus der Messe c-Moll KV 427, wo er zartfühlend auf die Sopranistin Rücksicht nimmt. Sabine Devieilhe kann die Lobeskränze, die ihr im Programmheft geflochten werden, nicht ganz einlösen. Sie singt ordentlich, aber so richtig gelöst, freifließend wird sie erst in ihrer Muttersprache, in einem schlichten, anrührenden französischen Lied in der Zugabe.

Ein Schatzkästlein an Möglichkeiten

Die Philharmoniker folgen Emelyanychev auf seinem Weg – in der „Serenata notturna“ KV 239 im Rondo mit vielen zugespitzten Dynamikunterschieden: Alle paar Takte ein neuer Ansatz, als würde die Musik ständig Kleider anprobieren. Klingt interessant, ein Schatzkästlein an Möglichkeiten, doch fehlt die Entschlossenheit, das Ganze homogen zu formen. Wie überhaupt das Programm ein bisschen beliebig wirkt, ohne inneren Zusammenhang – außer dem, die unermessliche Bandbreite von Mozarts Musik zu beweisen, von Oper über Geistliches zur Symphonik. Was nicht gerade neu ist.

Die Prager Symphonie wurde 1787 in jener Stadt uraufgeführt, deren Bürger Mozart (so soll er gesagt haben) „verstanden“ – anders als die gehässigen Wiener. Und in der im selben Jahr auch „Don Giovanni“, seine bedeutendste Oper, erstmals erklang. An dessen düsteres Vorspiel erinnert der erste Satz an, im dritten findet Emelyanychev zum furiosen Tempo der „Figaro“-Ouvertüre zurück. Welch andere Orchester kann so eine rasante Geschwindigkeit meistern, ohne komplett auseinanderzulaufen?

Das Konzert ist noch einmal an diesem Samstag, 29.11.2022, um 19 Uhr zu hören, www.berliner-philharmoniker.de

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