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Kultur: Der Schatz in der Hand

Wo wären spannendere und schwierigere Gesprächspartner zu finden als auf der TEFAF, ob jetzt in Maastricht oder im Herbst in Basel, wo sie geradeheraus "World Art Fair" heißen soll? Weltkunst jeder Provenienz zeigt die Europäische Kunstmesse in einer offenen, vom Betrachter selbst zu sichtenden Mischung.

Wo wären spannendere und schwierigere Gesprächspartner zu finden als auf der TEFAF, ob jetzt in Maastricht oder im Herbst in Basel, wo sie geradeheraus "World Art Fair" heißen soll? Weltkunst jeder Provenienz zeigt die Europäische Kunstmesse in einer offenen, vom Betrachter selbst zu sichtenden Mischung.Jeder, ob kaufwillig oder einfach neugierig, genießt den größten Vorzug der Messe: nachfragen zu können, was im Museum kaum einer wagt, eine Vitrine geöffnet zu sehen und den Gegenstand der Bewunderung in der Hand zu halten.Ein kurioses Stück antiken Kunstgewerbes findet sich so in einer Vitrine bei Royal-Athena (New York), ein mit einer Sandale bekleideter Fuß, dessen lang zulaufende Spitze eine seltsame Öffnung trägt.Hält man den Fuß in der Hand, erweist er sich als römisches Öllämpchen aus dem 1.Jahrhundert.

Oder es tut sich beim Blättern in einer alten Handschrift wie durch ein Fenster eine weite Landschaft auf.Eine mittelalterlich anmutende Stadtlandschaft dehnt sich hinter der Kreuzigungsszene bis in gebirgige Ferne, und tiefblau leuchtet hinter dem Kreuzbalken der Himmel auf.Dieses Blau hüllt auch die Figur der Maria zu Füßen des Kreuzes ein, und im doppelten, preziös gefüllten Rahmen öffnet eine mit tiefblauem Stoff bekleidete Nische den Blick auf den Stifter.In der Farbe folgt der Blick dem Weg seines Gebetes: durch Maria wendet er sich dem Gekreuzigten zu.Im flämischen Umkreis Kaiser Karls V.entstand dieses Beispiel höfischer Buchmalerei in den ersten Jahrzehnten des Buchdrucks, das Arenberg-Missale, datiert mit einem Übermaß an Genauigkeit "um 1524" (Jörn Günther/Hamburg).

Das Fehlen der vorgeschriebenen Beruhigung im Museum macht die Messe zu einem Ort der produktiven Beunruhigung, zum Bildungserlebnis nicht im Sinne der Anhäufung, sondern der Prüfung mitgebrachten Wissens.Verstand und Sinne müssen sich hier im Gespräch mit Menschen und Bildern, bei der Berührung von Gegenständen bewähren, die sonst weggesperrt und unzugänglich und immer einem Zweifel ausgesetzt sind, der freilich auch im Museum und schon gar in Ausstellungen mit "Event"-Charakter mehr als angebracht wäre.Zugleich erlebt der Besucher die Messe auch als Ort der Überraschungen, denn die Vielfalt der Kunstwerke, die sich in Privatbesitz befinden, bleibt größer als das Blickfeld auch der Spezialisten unter den Besuchern.Siebzig Prozent aller derzeit auf dem Markt befindlichen holländischen und flämischen Altmeistergemälde sollen beispielsweise in Maastricht zu sehen sein, was noch nichts über deren Qualität, aber viel über einen dauerhaften Erfolg der Messeorganisation aussagt.

Aus Berliner Sicht ein kleiner Höhepunkt der Messe ist ein lithographisches Blatt von Johann Gottfried Schadow (Rumbler/Frankfurt): zwei Schwestern, subtil in ihr wechselseitiges Verhältnis von Stärke und Sensibilität gesetzt, entstanden 1825 und in diesem Zustand in keiner öffentlichen Sammlung vorhanden.Das Blatt stammt aus einer Berliner Sammlung.Der Galerist hofft auf den amerikanischen Käufer, den ein anderes kleines Bild, eine Studie zweier alternder Männer von Adolph Menzel, schon gefunden hat (Berès/Paris).Wer das rechte Alter hat, kann sich in die beiden Figuren - man ist versucht zu sagen, die Figuren zweier Freunde - abwechselnd hineinversetzen: der Sammler, in dessen Besitz sie übergehen, erfüllt diese Bedingung, und so ist sichergestellt, daß das Bild einen sinnvollen Gebrauch erfahren wird.

Am spannendsten erscheint in Maastricht diesmal die Sektion des "Kunsthandwerks", die der Weltkunst jenseits der Kategorien des Bildes.Denn in der Wechselwirkung mit den klassischen "Kunst"-Sektionen entsteht erst die Spannung, die die Messe auszeichnet.Ohne die Bemhungen der - vor allem niederländischen - "Antiquare" alten Stils hätte die TEFAF eine so bemerkenswerte Entwicklung nicht erreicht.Schmerzlich ist gerade deshalb das Fehlen zweier bedeutender Galerien, die zum Bild der Messe in den letzten Jahren nachhaltig beigetragen haben: Sam Fogg (London) und Gisèle Croes (Brüssel) haben sich dieses Jahr gegen Maastricht und für New York entschieden, wo in diesem Monat die Asian Art Fair stattfindet.

Maastricht: Messegelände, bis 21.März, Mo-Fr 11-20 Uhr, Sa u.So 10-18 Uhr.

GEORG HOLLÄNDER, SILKE SCHOMBURG

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