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Kultur: Der stille Teilhaber

Eine Ausstellung in Riehen würdigt Ernst Beyeler als Sammler – und als herausragenden Kunsthändler

Was bringt einen Kunsthändler und Galeristen dazu, Sammler zu werden? Bei Ernst Beyeler waren es wohl ein paar handfeste Zufälle. Oder gehört das alles doch mehr zur persönlichen Legendenbildung, die deshalb so wirksam ist, weil sie durch und durch sympathisch daherkommt?

Claude Monets spätes, übergroßes Seerosenbild etwa, das heute zu den Hauptwerken der 1997 eröffneten Fondation Beyeler in Riehen zählt, gehörte angeblich lange zu den Ladenhütern von Beyelers Galerie in der Bäumleingasse 9 im nahen Basel – bis der Galerist den Händler in sich überredet hatte, das Bild selbst zu erwerben. In Edith Juds Fernsehdokumentation „Die Lieblingsbilder des Sammlers“ erzählt Beyeler, wie es nach dieser Entscheidung zum Eigenbesitz weiterging: Kurz darauf erschien nämlich Hans Heinrich von Thyssen-Bornemisza bei ihm und wollte die „Seerosen“ partout als Hochzeitsgeschenk für seine künftige – war es die fünfte? – Frau erwerben. Beyeler lehnte freundlich, aber entschieden ab. Der Baron „war sehr böse“. Und, so setzt Beyeler mit einem Lächeln hinzu, dem natürlich auch eine Spur von Wehmut ob der Folgen beigemischt ist: „Ich habe ihn nicht wieder gesehen.“

Auf die rhetorische Figur des Tiefstapelns muss man bei dem Nordschweizer Calvinisten Beyeler immer gefasst sein. Als er 1993 seine auf internationaler Ausstellungstournee befindliche Sammlung von Werken der Klassischen Moderne in der Berliner Neuen Nationalgalerie präsentierte, verblüffte er die Presse mit der Mitteilung, mit dem Sammeln begonnen hätten er und seine Frau Hildy eigentlich nur, „um die Wände unseres Heims zu schmücken“.

Solche Sätze klingen angesichts der Qualität der Sammlung ziemlich unglaublich – obwohl sie zutreffen: In Edith Juds Film sieht man Beyeler anfangs an den nun leeren Wänden seines Hauses vorbeigehen. Solchen, typisch schweizerischen Sätzen begegnet man nun auch im Katalogbuch einer wahrhaft außergewöhnlichen Ausstellung: „Die andere Sammlung. Hommage an Ernst und Hildy Beyeler“ stellt im wunderbar weitläufigen Renzo-Piano-Bau in Riehen der ständig dort beheimateten Kollektion des Sammlers eine Auswahl all jener Bilder zur Seite, die im Lauf von 60 Jahren durch die Hände des Händlers gegangen sind. Im Katalog werden diese sechs Jahrzehnte von honorigen Weggefährten, Händlerkollegen und Museumsleuten wie Werner Schmalenbach, Samuel Keller, Werner Spies, Eberhard W. Kornfeld oder William R. Acquavella kommentiert. Doch was eigentlich zählt, ist Beyelers Geschenk an sich selbst, ist diese Ausstellung. Sie ist schlicht – atemberaubend.

Atemberaubend auch deshalb, weil sich beide Teile, die ständige Sammlung und die internationalen Leihgaben, die zwischen Beyelers Kollektion gehängt worden sind, in ihrer Wirkung, Bedeutung und inneren Logik gegenseitig erklären und steigern. Überdeutlich wird das in dem der Erfindung des Kubismus in Paris gewidmeten Zwillingssaal, der sich im Zentrum der Ausstellung befindet. Zu Pablo Picassos „Mandolinespielerin“ und Georges Braques „Lesender“, beide von 1911 und aus der Sammlung des Händlers, gesellen sich Picassos „Femme à la Mandoline“ von 1908, die Werner Schmalenbach einst für die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf gekauft hat, sowie Braques gleichnamiges Bild von 1910 aus der Münchner Pinakothek der Moderne. Ein Gipfeltreffen von Großmeistern und Gründungsbildern, wie es auch ein MoMA oder Centre Georges Pompidou nicht glänzender arrangieren könnte.

Dabei ist Beyeler ehrlich genug, Fehlstellen der eigenen Sammlung für alle nun sichtbar dadurch zu betonen, dass er sie temporär durch Leihgaben aus dem Fundus seiner ehemaligen Galeriebilder ergänzt. Kaum gelingen kann das bei der Kunst nach 1945, die Beyeler zwar in ausgewählten Positionen wie Alberto Giacometti oder Francis Bacon verehrt, die sich jedoch weder mit Hilfe seiner Sammlung noch mit den von ihm gehandelten Werken zu einem Epochenüberblick verbinden lässt, wie das bei den französischen Impressionisten und Kubisten spielend gelingt. Beyelers Stärken liegen eindeutig beim Impressionismus und Postimpressionismus. Zu einem Fest gerät etwa die erlesene Suite von fünf Gemälden Pierre Bonnards, allesamt Leihgaben, unter denen das Großformat „Nu à la baignoire (Sortie du bain)“ von 1931 herausragt. Ein Wunderwerk subtil gemalter Intimität. 1984 konnte es Beyeler an das Centre Pompidou vermitteln.

An die 16 000 Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen – Druckgrafiken und Editionen nicht mitgezählt – hat Beyeler verkauft. Hervorgegangen ist die Galerie, deren Profil sich schnell am persönlichen Geschmack ihres Besitzers entwickelte, aus einem Antiquariat. Der Händler Beyeler hat sich früh zentrale Künstler und Werke des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts gesichert – all das, was wir heute die Klassische Moderne nennen. Und Beyeler hat diesen Bestand lange Zeit nur in verhaltenem Schweizer Tempo wieder verkaufen können, weil sich viele seiner Landsleute zunächst eher reserviert dieser Weltkunst gegenüber verhielten.

Noch in den späten sechziger Jahren war Beyelers Lager in der Bäumleingasse mit Meisterwerken gefüllt. Es spricht für seine händlerische Intelligenz und Integrität, dass es ihm gelungen ist, nicht wenige dieser Meisterwerke an die großen Museen dieser Welt zu vermitteln. In Edith Juds Film sagt Beyeler: „Sich mit Kunst umgeben zu können, das ist wahrer Reichtum.“ In der Fondation Beyeler in Riehen können alle daran teilhaben.

Fondation Beyeler, Riehen bei Basel, bis 6. Januar 2008, Katalog 68 CHF.

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