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Kultur: Der Vorhang fällt schnell Operation gelungen, Patient tot:

ein Nachruf auf die Berliner Opernstiftung

Gestern ging’s ums Halbe. Um 5,5 Millionen Euro für die Deutsche Oper, um vier Millionen Euro für die Komische Oper und 500 000 Euro fürs Staatsballett. Im Roten Rathaus beugte sich unter dem Vorsitz von Klaus Wowereit der Stiftungsrat der Opernstiftung über die Wirtschaftspläne der Berliner Musiktheater. „Eine reine Arbeitssitzung“, wie Torsten Wöhlert, Sprecher der Kulturverwaltung betonte. Politikerschwarzbrot. Und doch wurden Weichen für die Zukunft gestellt. Ab sofort gibt es in Berlin einen nationalen Opernleuchtturm und zwei musikalische Stadttheater.

20 Millionen Euro wird der Senat in den kommenden zehn Jahren für seine Opern drauflegen. Über die eine Hälfte wurde am Mittwoch nicht diskutiert: Zehn Millionen Euro bekommt Daniel Barenboims Staatsoper, auf Druck des Bundes beim Opernpoker mit Berlin wird sie besonders begünstigt.

Damit entsteht nicht nur eine eklatante Schieflage im hauptstädtischen Bühnengefüge, damit macht sich auch die Opernstiftung letztlich überflüssig. Der mühsam zwischen Angela Merkel und Klaus Wowereit ausgehandelte Kompromiss in Sachen Opernstiftung erweist sich immer mehr als Trojanisches Pferd. Die Zusage, dass der Bund die Sanierungskosten für die Staatsoper komplett übernimmt, hat fast zwangsläufig das Ende der erst 2004 etablierten Stiftung zur Folge.

Kultursenator Thomas Flierl erfand die Dachorganisation für Staatsoper, Deutsche und Komische Oper sowie das Staatsballett, um die Schließung eines Hauses abzuwenden. Es war von Anbeginn eine Notlösung. Gründungsdirektor Michael Schindhelm gab schnell entnervt auf, nachdem er aus den auf Autonomie pochenden Häusern vor allem Gegenwind und von der Politik keinerlei Rückendeckung erfahren hatte. Jetzt scheint die Senatskulturverwaltung gewillt, die Stiftung nur mehr als leere Hülle weiterexistieren zu lassen. Ein fähiger, aufstiegsorientierter Kulturmanager wie der aktuelle Stiftungslenker Stefan Rosinski wird da nicht lange den Frühstücksdirektor spielen wollen. Was soll er noch groß koordinieren zwischen der reichen Staatsoper und ihren ärmeren Schwestern?

Erstaunlich bei dem Vorgang ist, wie ruhig er sich vollzieht. Natürlich gibt es hinter den Kulissen Gerangel, doch nach draußen dringt fast nichts. Dabei machen vor allem die Orchester intern mächtig Druck. Mit einem gewerkschaftlichen Organisationsgrad von nahezu 100 Prozent sind die Musikerkollektive mächtige Player innerhalb der Theater. Barenboims Staatskapelle träumt davon, zahlenmäßig bald die Größe der Wiener Philharmoniker oder des Leipziger Gewandhauses zu erreichen: Beide Orchester sind so gut mit Planstellen ausgestattet, dass sie ihre Stammhäuser bespielen und gleichzeitig auf Tournee gehen können. Gehaltsmäßig streben die Staatsopern-Musiker künftig das Niveau von Christian Thielemanns Münchner Philharmonikern an.

Die Orchester der Deutschen wie der Komischen Oper fordern ebenfalls, dass sich der senatsseitige Geldsegen bald deutlich auf ihren Konten niederschlägt. Bestrebungen, die von außen aufmerksam beobachtet werden: So fordert das Konzerthausorchester von seinem Intendanten Frank Schneider eine Million Euro, damit man nicht im Berliner Gehaltsgefüge abgehängt werde.

Die Mittelaufstockung bei den Opern könnte damit zu einem Kollateralschaden am Gendarmenmarkt führen: Schneider müsste für sein Orchester den Etat plündern, den er bisher zur programmatischen Bespielung des Hauses verwendet hat – damit aber würde der Schinkelsche Musentempel zur Vermietungsbude.

In der hauptstädtischen Kulturszene sind nun alle Blicke auf Daniel Barenboim gerichtet. Wird der Gewinner des Gerangels künftig die Rolle eines Ermöglichers übernehmen, klugen Gebrauch von seinen Extramitteln machen? Es gibt in der hiesigen Klassikszene eine ganze Reihe exzellenter unabhängiger Ensembles, die darauf angewiesen sind, finanzstarke Partner zu finden, um in Berlin auftreten zu können. Zum Beispiel das Mahler Chamber Orchestra. Die selbstverwaltete Musikervereinigung, deren spiritus rector und regelmäßiger Dirigent Claudio Abbado ist, hat zwar ihren Sitz in Berlin, ist aber kaum je in der Philharmonie oder im Konzerthaus zu erleben.

Mit Koproduzenten wie den Wiener Festwochen realisieren sie ihre Projekte wie jüngst Janaceks „Aus einem Totenhaus“, dirigiert von Pierre Boulez und unter Regie von Patrice Chéreau. Die Inszenierung wurde bei der Kritikerumfrage der Zeitschrift „Opernwelt“ zur Inszenierung des Jahres gewählt: ein Musiktheatererlebnis, das viele Menschen gerne auch in Berlin sehen würden. Zum Beispiel an der Staatsoper, zum Beispiel finanziert durch die Millionen der Kanzlerin.

Den Kulturmanagern, die im „Forum Zukunft Kultur“ unter der Leitung von Volker Hassemer zusammensitzen, fallen da sofort tausend tolle Projekte ein, die Barenboim mit den Profis der freien Szene verwirklichen könnte. Zum Wohle der ganzen Stadt. Damit Berlin nicht nur mit Stars und Event-Premieren glänzt, sondern auch an der Zukunft des Genres arbeitet, mit Hilfe des kreativen Potenzials derer, die sich bewusst nicht an Institutionen binden wollen. Die Staatsoper als Denkfabrik, als Knotenpunkt geistiger Strömungen, als Gastgeber für bahnbrechende Produktionen aus aller Welt, Veranstaltungsort für Spezialensembles und gleichzeitiger Förderer der Meister von morgen – eine beglückende Vision. Maestro Barenboim, Ihr Einsatz!

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