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© dpa

Detlev Buck-Film: Hölle oder Höhle

In „Same Same But Different“ zeigt Detlev Buck seine romantische Seite. Es geht um die Liebe zwischen einem deutschen Touristen und einer kambodschanischen HIV-positiven Barmädchen.

Angefangen hat alles im September 2003, in der Disco „Heart of Darkness“ in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh. Benjamin Prüfer, damals 23 und auf der üblich spätjugendlichen Fernost-Selbstfindungsreise, lehnt am Tresen (statt mit den asiatischen Nachtschönheiten zu tanzen), trinkt Wasser (statt Bier oder Cocktails), und da spricht ihn, wie er sich erinnert, „das einzige ungeschminkte Mädchen“ an und redet, weil man schließlich irgendwas sagen muss in der Welt, über ihre Fingernägel, die sie sich heute für zwei Dollar lackiert hat. „What’s your name?, frage ich. – Rose, sagt sie. – No, your real name. – Sreykeo.“

„Srääi-kao“: Phonetisch merkt sich der deutsche Rucksacktourist und Jungjournalist den Namen des Bargirls, in das er sich alsbald verliebt, und zweieinhalb Jahre später schreibt er für „Neon“ die viel beachtete Geschichte „Bis der Tod sie mir wegnimmt“. Sreykeo ist HIV-positiv – und so gerät die gegen alle Fluchtvernunft gedeihende Beziehung bald zum Selbstbehauptungsversuch zweier, einander über Kontinente und monatelange Trennungen hinweg nahezubleiben, mit der tödlichen Krankheit und gegen sie. Und zum schmerzhaften Experiment, eines jener Dauerversorgungsverhältnisse, das Prostituierte der Dritten Welt oft zu Touristen eingehen, in den abendländischen Begriff der Liebe zu verwandeln – Exklusivität inklusive.

Ein Filmstoff, gewiss, und was für einer. Auch wenn der geborene Komödiant Detlev Buck („Wir können auch anders“) einem nicht eben als erste Wahl einfallen mag, wenn es um eine Liebe geht, die schon deshalb riesig ist, weil sie ganz besonders hohe Hindernisse überwinden muss. Andererseits ist auch Buck, mit mittlerweile 47 Jahren, den Klamaukiaden seiner Anfänge längst entwachsen und hat zuletzt mit dem packenden Jugenddrama „Knallhart“ und dem zärtlichen Kinderfilm „Hände weg von Mississippi“ überzeugt. Also: Warum nicht Kambodscha, warum nicht Gefühle bigger than life, solange es um das innere Feuer junger Menschen geht?

„Same Same But Different“ – ein Standard-Slogan auf den Billig-T-Shirts Südostasiens – hält sich (Drehbuch: Ruth Toma) eng an die Erlebnisse Benjamin Prüfers. Und doch stößt sich der Drang zu sozialer Prägnanz, der sich vor allem in den Bildern aus Kambodscha ausdrückt, an einer gewissen Zuckrigkeit der Liebesgeschichte und am angestrengt satirisch gegengeschnittenen deutschen Milieu, das den Helden Ben umgibt. Seien es die Rucksacktypen, seien es seine Freunde, Kollegen oder der Bruder in Hamburg: Anders als der sensible, leidgeprüfte Ich-Erzähler werden sie ganz überwiegend als Deppen gezeichnet.

So fehlt diesem Buck’schen Ausflug ins große Gefühlsfach vor allem ein Konzept. Kaum taumelt er – auch im Musikalischen – selig in Traumgefilde à la „In the Mood for Love“, verplempert er sich an hanseatische Redaktionsinterieurs, in denen es zugeht wie bei Stromberg, mit dicken Doofen auf’m Flur und neckischen Blondinen in der Teeküche. Zudem erweist sich Hauptdarsteller David Kross, der in seinen nahezu kindlich lernenden Rollen in „Knallhart“ und „Der Vorleser“ gute Figur machte, als überfordert – nie ist zu spüren, dass diesem Ben so etwas wie eine Sturzgeburt ins Erwachsensein widerfährt. Auch Apinya Sakuljaroensuk, etwa in Pen-ek Ratanaruangs „Ploy“ (2007) eine flirrend moderne Projektionsfigur männlicher Sehnsüchte, durchwandert hier alle Dramen mit verblüffendem Gleichmut. Irgendwann wirkt sowas bloß niedlich.

Dennoch: Wer sich ans Zarte hält, ist gerettet. Und auch am innigsten bei Buck, der hier endgültig seine romantische Seite offenbart. Da ist etwa das Höhlengleichnis, von dem Sreykeo ihrem Ben schon früh erzählt, wobei die Zahl der Kerzen, mit denen man sich der Finsternis erwehrt, für die Zahl der (gewesenen, bleibenden) Geliebten steht. Sehr spät, als die beiden schon durch manche Hölle gegangen sind, spielen sie wieder Höhle – unter der Bettdecke, wie die Kinder. Zu den Akteuren mag es passen, bei den Dreharbeiten waren sie gerade mal 18. Im echten Leben war das Paar Benjamin Prüfer/Sreykeo Sorvan, das heute zwei Kinder hat und in Phnom Penh lebt, schon Mitte 20: ein Lebenslichtjahr entfernt.

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