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Bernd Matthies.

© Mike Wolff

Matthies ringt um Worte: Deutsch muss nicht ins Grundgesetz

Matthies ringt um Worte: In seiner Online-Sprachkolumne bespricht Bernd Matthies diesmal den Versuch, den Satz "die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch" im Grundgesetz zu verankern. Die möglichen Folgen gefallen ihm gar nicht.

Mal ne ganz blöde Frage: Welche Sprache ist eigentlich die Sprache der Bundesrepublik? Deutsch, oder? Es mag sein, dass sich das in gewissen Ecken Neuköllns ein wenig verschoben hat, und dass unsere Schaufenstergestalter weiteren Zweifel säen, wenn sie demnächst wieder das Land mit dem Wort „Sale“ zupflastern. Aber bedroht das die Rolle der deutschen Sprache insgesamt?

Bei der Bild-Zeitung scheint man dieser Ansicht zuzuneigen. Denn eine Aktion des bunten Blatts, die vom Verein Deutsche Sprache (VDS) angestoßen wurde, erbrachte 40000 Unterschriften, die soeben dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages zugeleitet wurden. Ziel: Artikel 22 des Grundgesetzes soll um den Satz „Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch“ ergänzt werden. Wer mittun will, bitte: Bis zum 19. Januar sind weitere Unterschriften unter http://epetitionen.bundestag.de möglich. Aber dann soll mir derjenige bitte auch erklären, was die ganze Aktion eigentlich soll.

In der Begründung des VDS-Vorsitzenden Walter Krämer dröhnt es zwar, der neue Satz im Grundgesetz bilde „einen bindenden Auslegungsmaßstab für die gesamte Rechtsordnung“ und einen „möglichen Ausgangspunkt für künftige Gesetzgebung“. Konkreter geht es nicht, dafür folgen allerhand Erwägungen symbolischer Art in der Richtung, dass der Satz von den Gruppen, die einen besonderen Bezug zur deutschen Sprache besitzen, etwas einfordere: „Ein Stück weit Verantwortung für die Weiterentwicklung des Kulturguts Sprache zu übernehmen“.

Es ist wieder die alte Leier. Jeder, der ein besonders gewichtig aussehendes Thema mit sich herumträgt, möchte es ins Grundgesetz aufgenommen sehen. Den Umweltschutz, den Tierschutz, das genfreie Schüleressen, und nun eben auch die Sprache. Das alles nützt zwar alles konkret überhaupt nichts, würde aber die Möglichkeit eröffnen, zukünftig mitzuteilen, es handele sich um ein so abnorm wichtiges Thema, dass es sogar ins Grundgesetz…

Nun ist das Grundgesetz aber keine Symbolveranstaltung, sondern enthält höchst wirksame juristische Regeln. Was könnte der Sprach-Passus bewirken? Dass Deutsch die deutsche Amtssprache ist, steht außer Zweifel. Das ist mehrfach im Verwaltungsverfahrensgesetz und in anderen untergeordneten Gesetzen verankert, und es ergibt sich sowieso indirekt aus der Tatsache, dass alle deutschen Gesetze auf Deutsch formuliert sind und nicht auf Sorbisch,  Türk-Deutsch oder Denglisch. Eine Klarstellung ist also nicht nötig. 

Die Idee der Sprachschützer muss deshalb eine andere sein, und sie ist vermutlich in dem Hinweis zu finden, dass die Grundgesetzänderung einen Ausgangspunkt für künftige Gesetzgebung bilde. Da ließe sich allerhand denken, und nichts davon gefällt mir. Sollen die Ordnungsämter künftig, wenn grad kein Glatteis ihre Aufmerksamkeit fordert, Bußgelder gegen Geschäftsleute verhängen, die mit englischen Vokabeln werben? Entfällt das Recht auf einen Dolmetscher in Gerichtsverhandlungen? Entfällt das Recht der Helgoländer, amtlich wirksame Schriftstücke auf Friesisch vorzulegen? Sollen Uni-Vorlesungen auf Englisch verboten werden? Darf Bastian Sick die nach seiner Ansicht Dummdeutschen künftig auch in Amtsblättern zurechtweisen? Bitte, das ist nicht besonders weit hergeholt, denn derlei in das Private einwirkende Regelungen gibt es ja beispielsweise in Frankreich durchaus. Und man wird angesichts der Kampagne der Bild-Zeitung argwöhnen dürfen, dass hier auch kräftig Stimmung gegen Einwanderer-Familien gemacht wird, deren Kinder in der Schule sprachlich nicht mitkommen – und denen dann wohl Sanktionen drohen. Vermutlich würde die erste konkrete Aktion der Sprachschützer nach Verfassungsänderung darauf hinauslaufen, den öffentlich-rechtlichen Sendern wieder mal mit einer Quote für deutschsprachige Musik zu drohen. 

Ich habe absolut nichts dagegen einzuwenden, dass der deutsche Staat das Deutsche als Amtssprache vorschreibt. Was auch sonst? Aber außerhalb des staatlich umgrenzten Verwaltungsbezirks haben solche Regeln nichts zu suchen. Verantwortung für die Weiterentwicklung des Kulturguts deutsche Sprache übernehme ich gern. Aber ich möchte dabei nicht von engstirnigen Sprach-Sheriffs umzingelt werden.       

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