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Kultur: Deutsche Nachtigall

KLASSIK

Wer zählt die Vertonungen von Gedichten Heinrich Heines? Als 1914 über zweieinhalbtausend nachgewiesen wurden, waren Berg, Zemlinsky, Pfitzner noch unter den lebenden Komponisten, deren Heine-Lieder den Meisterstücken von Schubert, Mendelssohn, Schumann, Brahms folgten. Ein Konzert mit Heine-Lyrik, rezitiert und gesungen, kann von diesem Universum nur ein Abbild sein.

Die Schauspielerin Margarita Broich , eingesprungen für die erkrankte Anne Bennent, liest die Texte im Kleinen Saal des Konzerthauses quasi vom Blatt. Ihre Sprache, einfühlsam und cool wie ein guter Zeitungsbericht, macht „Am leuchtenden Sommermorgen“ zu einer Überraschung, weil wir die Schumann-Vertonung vermissen und mitdenken. Heine verlässt die Romantik als ein Zeitgenosse der Zukunft. Das – unvertonte? – Gedicht „Ratcliff“, dem die Tragödie „William Ratcliff“ zugrunde liegt, kann als Rückgrad des Programms gelten, durch das ein Taumgott führt: Liebe, tiefschmerzliche Nachtigall, „Wusstest du, dass ich so elend bin?“, Entsetzen beim Aufwachen. Von Helmut Deutsch am Klavier expressiv begleitet, ist der Sänger Olaf Bär bei dem Doppelaspekt der Dichtung von Leidensrealität und Humor eher dem Pathos als der Ironie zugeneigt. Ein wichtiger Aspekt sind Alternativen zu den vertrauten Tönen auf berühmte Gedichte: „Im Rhein, im schönen Strome“ (Schumann: „im heiligen Strome“) hier von Franz Liszt. Ab und zu gönnt sich Bär das Highlight: „Am Meer“ (Schubert), „Ein Jüngling liebt ein Mädchen“ (Schumann), in furioser Interpretation. Sein Bariton klingt manchmal gehemmt, meistens aber rund und voll. Zur hohen Schule des Künstlers gehört, dass im Gesang jedes Wort zu verstehen ist: Heinrich Heine zu Ehren.

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