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Marlene Brüggen, Leiterin künstlerische Planung, und Thomas Schmidt-Ott

© Jakob Tillmann

Deutsches Symphonie-Orchester Berlin: Jetzt geben die Frauen den Ton an

In der kommenden Saison wird es beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin kein Konzert ohne Komponistin geben. Und auch der Spaß soll nicht zu kurz kommen.

Sie hat es tatsächlich wahrgemacht: Im vergangenen Jahr überraschte Marlene Brüggen, die Leiterin der künstlerischen Planung beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, mit der Ankündigung, in der Saison 2023/24 werde es beim DSO kein Konzert ohne Komponistin mehr geben. Jetzt konnte sie zusammen mit Orchesterdirektor Thomas Schmidt-Ott stolz die Umsetzung des ehrgeizigen Plans präsentieren: Von der 1961 geborenen Unsuk Chin beim Eröffnungskonzert am 30. August bis zur Mozart-Zeitgenossin Marianna von Martines beim Finale am 28. Juni kommenden Jahres finden sich allüberall im DSO-Programm weibliche Beiträge.

„Mir scheint, die Stunde der Frau in der Musikwelt hat geschlagen. Und zufällig bin gerade ich da.“ Das hat die britische Komponistin Ethel Smyth vor 100 Jahren gesagt – und sich leider gründlich getäuscht. Die Männerbünde in der Welt von Oper und Konzert hielten dann doch fester und länger – bis jetzt nämlich. Nur 1,9 Prozent der von deutschen Profiorchestern gespielten Partituren stammen aktuell von Komponistinnen. Eine rühmliche Ausnahme sind in der laufenden Spielzeit die Brandenburger Symphoniker, die alle Sinfonien von Emilie Mayer (1812 – 83) aufführen.

Komponistinnen vom Mittelalter bis heute

Das DSO zieht nun also 2023/24 nach. Wobei die zeitgenössischen Frauen dominieren – weil das Orchester als Rundfunk-Klangkörper stets eine Stärke bei neuer und neuester Musik hatte. Aber auch musikhistorische Positionen sind dabei, von Clara Schumann, den Französinnen Lili Boulanger und Louise Farrenc, der Irin Ina Boyle oder von Fanny Hensel, Felix Mendelssohn-Bartholdys Schwester, die einst seufzte: „Es muss ein Zeichen von Talent sein, dass ich nicht aufgebe, obwohl ich niemanden dazu bringen kann, sich für meine Bemühungen zu interessieren.“

Besonders hartnäckig in eigener Sache musste auch Florence Price sein: als Frau und Afroamerikanerin. Von ihr wird die „Mississippi River Suite“ im Rahmen der beliebten DSO-Kinderkonzerte erklingen. Und bei der Kammermusikreihe in der Villa Elisabeth folgen die Musikerinnen und Musikern ebenfalls der neuen Linie der „feministischen Musikpolitik“, wie es Orchesterdirektor Schmidt-Ott nannte.

Marina Grauman, Erste Konzertmeisterin des Deutschen Symphonie-Orchesters, trägt eine Hose im neuen DSO-Design

© Valentin Seuss

Der aber auch unumwunden zugab, dass es sich um einen ersten Schritt handelt: In eine zweite Konzerthälfte, bei der nach der Pause das gewichtigste Stück des Abends erklingt, hat es auch 2023/24 beim DSO keine Frau geschafft. Da dominieren die sinfonischen Großwerke aus Männerhand. Chefdirigent Robin Ticciati setzt seine Bruckner- und Mahler-Zyklen fort, hat Beethovens Neunte ausgewählt und Schumanns „Rheinische“.  

Richtig wichtig ist Thomas Schmidt-Ott ein weiterer Bereich, der bei staatlich finanzierten Orchestern ein Schattendasein fristet: der Spaß. Grenzgänge zwischen E und U, also zwischen der sogenannten ernsten und der unterhaltenden Musik, sollten seiner Meinung nach Selbstverständlichkeiten sein. Das DSO wird also in der Waldbühne den Pianisten Lang Lang bei seiner Hommage an die Disney-Soundtracks begleiten, und die höchst erfolgreiche „Kunst der Unfuge“ geht weiter, eine Reihe mit Kabarettisten und Kammermusik im Schlossparktheater. Ebenso der populäre Symphonic Mob, bei dem Laien und Profis zusammen musizieren.

Neu dazu kommt das Konzertformat „Musik und Verbrechen“ in Zusammenarbeit mit dem Podcast „Zeit Verbrechen“, ausgebaut wird „Schöne Töne Live“, eine Kooperation von DSO und „Radio 1“, bei der unter anderem Neil Tennant von den Pet Shop Boys auftreten soll.

„Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg, Musik, zu hören oder zu genießen“, findet die 1980 in London geborene Komponistin Anna Clyne, von der das DSO 2023/24 zwei Werke interpretieren wird. „Kommen Sie einfach mit offenen Ohren und Fantasie.“ Recht hat sie.

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