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Veronika Eberle spielt auf der „Dragonetti“-Stradivari

© Felix Broede

Deutsches Symphonie-Orchester Berlin: Spannendes beim Festival „Music & Healing“

Robin Ticciati und das DSO erforschen bei ihrem Frühlingsfestival die heilende Kraft der Musik. Die Geigerin Veronika Eberle beeindruckt mit Alban Bergs Violinkonzert.

Von Keno-David Schüler

Die dritte Etappe des „Music and Healing“-Festivals beschert am Samstagabend bei gut besetztem Haus Musik von Berg, Messiaen, Skrjabin und Adámek. Um es gleich zu sagen: Chefdirigent Robin Ticciati sei zu dieser kuratorischen Sternstunde gratuliert.

Erklärtes Ziel des Festivals ist es, verschiedene Aspekte von Spiritualität hörbar zu machen und den weiten Assoziationsraum „Heilung“ von medizinischen bis hin zu philosophischen, soziologischen oder gesellschaftlichen Aspekten einzubeziehen. In diesem Konzert werden musikalische Brücken von 1905 bis 2006 gebaut, von Wut und Trauer zur Ekstase, ohne dass stilistische Sollbruchstellen oder Sensationstrieb störten.

Verblüffende Meisterschaft

Messians Jugendwerk „Le tombeau resplendissant“ eröffnet in der Klage um die verlorene Jugend, wie das Vorwort zur Partitur erklärt. Dass die jungen Jahre zumindest nicht ungenutzt verstrichen sind, kann in dem Werk des 23-jährigen, das von verblüffender Meisterschaft gerade in Bezug auf Orchesterbehandlung zeugt, gehört werden.

Den Schlussstein des reichen Schaffens Bergs hingegen setzt „Dem Andenken eines Engels“. Der Komponist verschied wenige Monate nach Fertigstellung seines Violinkonzertes im Dezember 1935. Ein requiemhafter Grundzug wird bereits aus dem Titel ersichtlich. Bedachter Engel ist Manon Gropius, die Tochter von Alma Mahler und Walter Gropius.

Symbiotisches Musizieren

Das erste strenge zwölftönige Solokonzert der Musikgeschichte ist in zwei Sätzen zu je zwei Teilen komponiert, hüllt sich aber klangsprachlich in spätromantisches Gewand. Die deutsche Violinistin Veronika Eberle gelangt in ihrem ernsthaften Zugang zur innigen Deutung von Bergs Musik. Neben wie selbstverständlicher, technischer Brillanz, betört der dunkel singende Geigenton, der doch flexibel bleibt. In nebulöser Eleganz, sich aller Obszönität enthaltend, fusionieren Orchester und Solovioline im symbiotischen Musizieren.

Im von balinesischer Gamelanmusik inspirierten „Shiny or Shy“ erschafft Ondřej Adámek ein üppiges Farbenspiel, das einen gelungenen Kontrapunkt zum dekadent-romantischen Schwefeldunst setzt. „Strahlend und schattig“, schnaufend, lispelnd oder vollmundig singend wird das reiche Repositorium an instrumentalen Spieltechniken des 20. Jahrhunderts ausgeschritten. Mit großer Subtilität instrumentiert und gutem Sinn für strukturelle Anlage werden gerne weitere Kreationen des Tschechen erwartet.

Energie flutet in den Saal

„Der Geist, vom Lebensdurst beflügelt, schwingt sich auf zum kühnen Flug“ in die Ekstase. Ein 1906 auf eigene Kosten gedrucktes Heft mit dem lyrisch ausgegossenen, weltanschaulichen Programm des Komponisten, liefert das ästhetische Konzept zu Skrjabins „Le Poème de l´Extase“. Die berauschende Kulmination des symphonischen Exzesses bringt das affirmative Sendungsbewusstsein des Textes auf den Punkt. „Und es hallt das Weltall vom freudigen Rufe: „Ich bin!“

Ticciati weiß die ungewöhnliche Partitur zu bändigen, zu dosieren und die finale Zuspitzung klanggewaltig aufzubauen. Wie so oft liegt eine besondere Qualität des DSO darin, Energie aus dem Orchester in den Zuschauerraum zu projizieren. Selten gibt sich die Philharmonie in Generalpausen, wie sie sich insbesondere bei Skrjabin häufen, so still und enthustet. Nach dem Applaus geht es elektrisiert nach Haus.

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