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Kultur: Die Apokalypse von Mogadischu

Am gestrigen Freitag kam Ridley Scotts neuester Film "Black Hawk Down" nach einem Verwirrspiel um den Starttermin in die amerikanischen Kinos. Wie kaum ein anderer ist dieser Film von den Ereignissen betroffen, die den Anschlägen vom 11.

Am gestrigen Freitag kam Ridley Scotts neuester Film "Black Hawk Down" nach einem Verwirrspiel um den Starttermin in die amerikanischen Kinos. Wie kaum ein anderer ist dieser Film von den Ereignissen betroffen, die den Anschlägen vom 11. September folgten - obwohl er ursprünglich nur die fast vergessene Geschichte einer Schlacht von 1993 erzählen wollte. Nun hat er die eigentümliche Chance, Bilder vom Antiterror-Krieg zu zeigen - und damit ist nur eine der vielen Paradoxien angesprochen, die den Film begleiten.

Wohl noch nie haben sich bei einer Filmproduktion Fiktion, Paradokument und Wirklichkeit dermaßen verzahnt - besonders wenn man bedenkt, dass die Hubschrauberpiloten, die im Sommer am Set in Marokko agierten, nun in Afghanistan Einsätze fliegen und die Filmberater aus den Reihen der Special Forces jetzt die afghanischen Kämpfer schulen. Nach ersten Vorführungen vor ausgewähltem Publikum heißt es nun, der Film sei hart und extrem realistisch.

Am Anfang war die Schlacht von Mogadischu. 3. Oktober 1993: Der Spezialeinsatz der amerikanischen Delta Force und der Rangers sollte nur eine Stunde dauern. Doch die Aktion - man wollte die Gruppe um den somalischen Warlord General Aidid dingfest machen, der für das Massaker an 26 pakistanischen UN-Soldaten verantwortlich war - eskalierte: 18 Elitesoldaten starben, 80 weitere wurden verletzt, bevor nach 17 Stunden Verstärkung anrückte. Schätzungen zufolge wurden an jenem Sonntag 400 Somalis getötet und bis zu 1000 verletzt.

Kurz darauf wurde die Jagd nach Aidid eingestellt, und Präsident Clinton zog das amerikanische Kontingent aus Somalia zurück. In Erinnerung blieb das Bil vom nackten Körper eines US-Piloten, der durch die Straßen von Mogadischu geschleift wurde. Ein Journalist namens Mark Bowden hakte nach. Er wunderte sich, wie wenig über die schwerste Schlacht seit dem Vietnamkrieg geschrieben wurde. Aus minuziösen Recherchen, Interviews mit 20-jährigen Rangers und den älteren, normalerweise verschwiegenen Delta Operators, entstanden erste Artikel, schließlich ein 500-Seiten dickes Buch - eine Dokumentation der Schlacht, in dem das Geschehen aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird.

Da ist etwa die Sicht von Mike Durant. Der verletzte Pilot wartet auf Rettung vor der heranrückenden Miliz. Zwei Delta-Sergeants seilen sich zu ihm ab; es folgt ein erbitterter, aussichtsloser Kampf. General Aidids Miliz triumphiert, der Pilot wird gefangengenommen, beide Sergeants sterben. Die Bilder werden live in die Einsatzzentrale übertragen.

Ridley Scott, bekannt für sein visuelles Gespür und opulente Bilder, nahm sich Bowdens Buch zur Vorlage für sein neues Projekt. Zuvor hatte der 64-jährige Engländer das bejubelte, oscar-gekrönte Historienepos "Gladiator" und den wegen seiner Gewaltszenen höchst umstrittenen "Hannibal" inszeniert. Nun wollte er offenbar das Genre des Kriegsfilm neu definieren. Wie ein Feldherr rückte er aus. Mit 14 Kameras unter der Leitung des polnischen Kameramannes Slawomir Idziak ("Gattaca", "Drei Farben: Blau", "Männerpension"), mit Spezialistenteams für Tricks und Dekorationen, die bereits an "Gladiator" und Spielbergs "Soldat James Ryan" gearbeitet hatten, mit Musik von Hans Zimmer ("Gladiator"). Die amerikanische Armee half mit schwerem Gerät und lieferte die Black Hawks: Hubschrauber, die auch beim realen Einsatz gesteuert worden waren. Und einige Schauspieler - Ewan McGregor, Josh Hartnett und Tom Sizemore - mussten sich einem Ranger-Training unterziehen.

Ist das noch ein (Spiel-)Film? Spielbergs "Soldat James Ryan" diente als Maßstab, den es an realitätsnaher Wucht zu überbieten gilt: Allein die Kampfszenen füllen knapp drei Viertel des Films.

Aber dann - einen Monat nach Drehschluss - kam der 11. September. Seitdem befindet sich Amerika in Trauer, Wut und Krieg. In einem Krieg, von dem es kaum Bilder gibt. Manchmal tauchen hier und da bärtige 30-jährige Amerikaner auf, die die neugierigen Kameras der Fernsehcrew zu Boden drücken - Spezialkräfte, die meist im verborgenen agieren. Die Informationen sind verwirrend und widersprüchlich, die Bilder um so mehr.

In Deutschland kommt der Film voraussichtlich im April in die Kinos. Dann wird die Schlacht von Mogadischu auch auf den hiesigen großen Leinwänden gezeigt. Werden die amerikanischen Zuschauer die Kraft haben, ihn durchzustehen? Ist er Drama oder Dokument? Keine Frage: Wären die US-Verluste in Afghanistan größer, hätte der Film einstweilen in Amerika keine Chance gehabt. Welchen Einfluss werden die extrem realistischen Bilder des Kampfes haben - in Amerika und in den eruopäischen Nato-Staaten?

In Mark Bowdens Buch gibt es einen Satz, den man leicht übersieht. Es heißt dort, dass die somalischen Milizen die Taktik - mit der man Hubschrauber effizient vom Himmel holt - von Männern lernten, die in Afghanistan gekämpft haben. Wer weiß, ob amerikanische Hubschrauber nicht demnächst wieder über Somalia auftauchen werden.

Tomasz Novak

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