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Kultur: Die Ausstellung bei Edda Biermann bietet einen Rückblick auf die Salzlettenhalter-Jahre

Verfremden, Virtualisieren, bisweilen Verwirren: die Ausstellung "Multum B" bei Edda Biermann steht unter dem Vorzeichen des V-Effekts. Im Hauptraum zeigen Katharina Karrenberg, Christian Hörl, Stephan Rueff und Catrin Otto neue Arbeiten.

Verfremden, Virtualisieren, bisweilen Verwirren: die Ausstellung "Multum B" bei Edda Biermann steht unter dem Vorzeichen des V-Effekts. Im Hauptraum zeigen Katharina Karrenberg, Christian Hörl, Stephan Rueff und Catrin Otto neue Arbeiten. Patricia Pisani stellt im Keller zudem ihre "1 zu 1 - Realitätsübung" vor. Wer die Wendeltreppe hinabsteigt, steht in einem mit Polstersofa, Regal, Tisch, Küchenstuhl und Hocker möblierten Raum. Die in Berlin lebende Argentinierin hat sie aus milchigem Transparentpapier originalgetreu nachgebildet. Man muß die Pseudomöbel anfassen, es knistern hören, um die perfekt inszenierte Materialtäuschung zu akzeptieren (zusammen 6000 Mark, einzeln ab 900 Mark).

Im Parterre geht das Verwirrspiel mit der Wahrnehmung weiter. Katharina Karrenberg nennt ihren 64teiligen Fotofries "Sympathie for the Devil" (880 Mark, total 13 000 Mark). Die Fotografien sind am Computer bearbeitet. Sie erscheinen wie abstrakte Motive aus einem Kaleidoskop. Karrenberg irritiert den Betrachter mittels Brechungen, Spiegelungen, Vervielfältigung. Sie narrt ihn durch Bewegungsunschärfen, Luft- und Papierschlangen als Requisiten und Mimikry. Denn die Aufnahmen sind Selbstporträts.

Catrin Ottos Rauminstallation "Ausschnitt I: Organisierung" dagegen suggeriert aufgeräumte Übersichtlichkeit. Ihre Anordnung gewöhnlicher Alltagsdinge aber stellt im Gegenteil dem Ordnungswahn gewitzt optische Sehbarrieren. Sie arrangiert einen schmutzigbeigen Küchenstuhl mit rotem Kunstlederbezug neben einem Bügelbrett, stapelt Wäschepuff, Damenhandtasche und Hocker. Garniert wird das Ganze mit Gummiverschlußkappen für Saftflaschen, rotweißen Kabelsträngen, Spülschwammresten. Als fotografische Einblendungen, als Bild im Bild erscheinen Ausschnitte des plastisch verschachtelten Still-Lebens wiederum in die Objekte eincollagiert: auf Tabletts geklebt, als Einschub in den Ausschnitten der Dinge. Otto errichtet ein Memorial banaler Geschmacksverirrung mit Querverweisen auf das Allerweltsdesign der 50er, die Salzlettenhalter-Jahre. Und die vermeintliche Ordnung entpuppt sich Turmbau visueller Irrungen und Wirrungen (12 000 Mark).

Für strenge Ordnung als Gegenpol, den Kontrapunkt systematischer Übersichtlichkeit sorgt Christian Hörl. Er kombiniert Schwarzweißbilder von Heckenornamenten im Schloßpark von Versailles mit Rollen von Kunstrasen: ein systematisches Kunst-Stück über die Künstlichkeit vermeintlicher Natur (12 000 Mark). Er verfremdet nicht, sondern verweist auf Entfremdung. Ohne Wertung, mit nüchtern distanziertem Blick bilanziert Hörl die Zusammenhänge.Edda Biermann dirty windows gallery, Auguststraße 26, bis 21. September; Dienstag bis Freitag 14 - 19 Uhr, Sonnabend 13 - 18 Uhr.

Elfi Kreis

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