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Der Berg kreißte und gebar: Ryan Ganders Maus (2019) aus der Sammlung Harm Müller-Spreer.

© © The artist/VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Image courtesy the artist and Esther Schipper, Berlin; Foto © Andrea Rossetti

Die Ausstellung „Transformers“ in Baden-Baden: Maus trifft Kerze

Eine Invasion ohne Folgen: Das Museum Frieder Burda lässt Kunst des Digitalzeitalters auf die hauseigene Sammlung los.

Von Alexandra Wach

Von Menschen geschaffene Maschinen werden immer intelligenter. Das, was mal Science-Fiction war, ist längst fester Bestandteil des technologischen Fortschritts. Das Kino hat bekanntlich den Fokus lieber auf die Gefahren gerichtet: „Metropolis“, „Westworld“, „A.I. – Künstliche Intelligenz“, „I, Robot“ – wer diese bildmächtigen Dystopien gesehen hat, ist künstlichen Wesen begegnet, die nicht nur in ihrer Erscheinung dem Menschen verblüffend ähnlich waren.

Auch ihr Handeln gehorchte dem emotionalen Kompass, den ihnen ihre Erbauer eingepflanzt hatten. Und wer heute danach fragt, ob Drohnen Menschen töten dürfen, hat sich längst von der Furcht von einem Kontrollverlust anstecken lassen.

Nein, der droht einem nicht in der Ausstellung „Transformers“ vom Museum Frieder Burda. Der Versuch von Udo Kittelmann - einst Nationalgalerie-Direktor in Berlin und nun künstlerischer Leiter des Baden-Badener Hauses -, als Kurator der Institution Museum zu mehr „Lebendigkeit“ und einem „größtmöglichen Clash“ zu verhelfen, bleibt enttäuschend blass. Dabei verspricht gleich am Eingang die „Repräsentantin“, wie Louisa Clement eine ihrer drei frisch hergestellten Kopien nennt, zunächst eine potenziell ungewohnte Erfahrung.

Wie sie da vor einem abstrakten Bild von Gerhard Richter auf einer Polsterbank sitzt, in Menschengröße und von hinten nicht als Maschine identifizierbar, muss man sogleich an Kim Novak in Hitchcocks „Vertigo“ denken, in der Rolle einer Betrügerin, die vorgibt, von dem Porträt einer Toten hypnotisch angezogen zu werden.

Steht man dann vor ihr, flankiert von Picassos Gemälde einer liegenden Frau aus dem Jahr 1968 und dem Triptychon „Zyklop I, II, III – Dithyrambisch“ von Markus Lüpertz, fällt die Illusion eines aktivierten Kunstwerks wie ein Kartenhaus zusammen. Statt Angstlust erlebt man die aus einem 3D-Scan geschaffene Doppelgängerin der Künstlerin, deren Ähnlichkeit auf dem Level einer besseren Silikon-Sexpuppe stecken bleibt, die Augenbrauen hochziehend, aber stumm.

Ich weiß, dass ich ein Roboter bin.

Louisa Clements KI-Repräsentantin

Stellt man ihr Fragen, kommt das Gespräch nur mühsam in Gang, denn der installierte Chatbot, der KI verwendet, muss erst noch mit Konversationsfetzen gefüttert werden, um mehr mitzuteilen als nur banale Identitätserkenntnisse wie etwa: „Ich weiß, dass ich ein Roboter bin.“

Wann dieser Lernprozess „intelligente“ Früchte tragen wird, dürften nur die erfahren, die am Ende der Schau wiederkehren, denn auch die zwei anderen Avatare versagen in der Rolle eines „Dialogs mit den Meisterwerken der Sammlung Frieder Burda“, mögen die „Klassiker“, wie Kittelmann die männerlastige Auswahl von Polke, Baselitz oder Pollock nennt, mit Werken wie „Sieben mal Paula“ oder „Dresdner Frauen – Giebel“ noch so auf die Multiplizierung eines Individuums verweisen.

Von einem Wettstreit kann keine Rede sein, zu schwach ist die Performance der Technik, um das traditionelle Museumskonzept ins Wanken zu bringen. Von einem perfekten Alternativwesen ist auch die Roboter-Maus des Briten Ryan Gander ein Stockwerk höher weit entfernt.

Immerhin ist sie gesprächiger und hält auch der Konkurrenz von Gerhard Richters ikonischer „Kerze“ aus dem jahr 1982 und den Plakaten zum US-Film „Transformers“ stand, die Timur Si-Qin zu einer mit Pflanzenblättern überwucherten Serie zusammengestellt hat. Mit kindlicher Stimme buhlt sie aus einem Loch in der Wand um Aufmerksamkeit, wirkt ängstlich angesichts der Erwartungen, die an sie gerichtet werden.

Will sie daran erinnern, dass Menschen für ihr Überleben auf andere Lebewesen Rücksicht nehmen müssen? Warum sonst hängen im letzten Saal die vielen Gemälde des Kosmos, einer in Winterschnee eingehüllten Natur oder Warhols Blumen-Variationen?

Natürlich stellen sie das anthropozentrische Paradigma in Frage und Kittelmann unter Beweis, dass er mit den Themen der Zeit zu jonglieren weiß. Ein Eindringling, der sein Handwerk versteht, lauert dann doch noch im Finale. Die Androidin der Installation „Female Figure“ hat seit 2014 manch einen musealen Auftritt absolviert. Die animatronische Skulptur des US-Künstlers Jordan Wolfson entstand mit Hilfe eines Hollywood-Studios, weshalb in dem abgeschlossenen Raum endlich so etwas wie der Horror der Zukunft zu spüren ist.

Jedes Wort ihres Monologs und jede Bewegung der Androidin kreist um Gewalt und Sexualität, verstärkt durch eine Kamera in der Stirn, die mit einer Gesichtserkennungssoftware ausgestattet ist. So kann die Gliederpuppe den Blick ins Publikum richten. Ist sie eine Überlebende der Internet- und Gaming-Kultur? Steht sie für die Härte des digitalen Zeitalters, das automatisierte Sex-Business oder eine von Maschinen bestimmte Existenz im Metaverse?

Diese Fragen haben sich bei den anderen „Klassikern“ tatsächlich so nie gestellt. Sie schweigen. Und die Transformation unserer fragilen Lebenswelt geht weiter.                                                                                  

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