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Kultur: Die Champagner-Connection

Wetten, dass alles anders war? Hellmuth Karasek liest Benjamin von Stuckrad-Barre und ist nicht ganz einverstanden

Lieber Herr Stuckrad,

zwei Mal haben wir in den letzten Jahren bei Begegnungen gegeneinander gewettet; zwei Mal haben Sie über diese Wetten in Ihren Büchern berichtet.

Lassen Sie mich mit der zweiten Wette beginnen. In Ihrem Buch „Festwertspeicher der Kontrollgesellschaft – Remix 2“ berichten Sie, wie „wir in der Garderobe einer Lotterieshow als Ballast der Fernsehkomikerin“ herumgesessen hätten, wir hätten uns über die „großartige Kafka-Biografie Reiner Stachs“ unterhalten und in diesem Zusammenhang, ob „Schwindsucht und Magersucht nun dasselbe ist“. Der Wetteinsatz, sei „karasektypisch eine Kiste irgendwas zu trinken gewesen“.

Das ist, nach Radio Erewans seligen sowjetischen Zeiten „im Prinzip richtig“. Aber erstens haben wir im Zusammenhang mit Kafkas Krankheit nicht darüber gewettet, ob Magersucht und Schwindsucht dasselbe wären, sondern darüber, ob TBC und Schwindsucht zwei Bezeichnungen für ein und dasselbe, damals noch meist tödliche Leiden seien. Zweitens haben wir auch nicht, weder „karasektypisch“ noch sonst, um eine Kiste irgendwas zu trinken gewettet, sondern um genau eine Flasche Champagner. Wenn ich Sie daran erinnere, dass Sie zugestimmt und vorgeschlagen haben: „Die trinken wir aber zu viert gemeinsam beim Abendessen, wenn Sie nach Berlin kommen!“, werden Sie sich auch daran erinnern. Zu viert, das hieß meine Frau, Anke Engelke, Sie und ich.

Drittens verschweigen Sie, dass ich die Wette gewonnen habe. Leider ist es zur gemeinsamen Einlösung nicht gekommen – auch davon handelt Ihr Buch. Ich bedaure das sehr, weil ich die wenigen gemeinsamen Abende in sehr guter, teils lustiger, teils melancholischer Erinnerung habe.

Auch dass Sie es waren, der mich mit seiner Begeisterung für Reiner Stachs ersten Band seiner großartigen Kafka-Biografie, zum sofortigen Lesen in einem Zug (und das will bei 600 Seiten etwas heißen) angeregt hatte, danke ich Ihnen. Wir wollten, Sie erinnern sich, darüber in Zürich bei geplanten und mehrfach gescheiterten Treffverabredungen ausführlich sprechen, haben es dann aber erst in Berlin getan.

Nun zur ersten Wette. In Ihrem Buch „Deutsches Theater“ schildern Sie in dem Kapitel „Literaturkritik“ auch eine Wette. Im Hamburger Literaturhaus. Nach einer Sendung des „Literarischen Quartetts“, berichten Sie, wir hätten um die Betonung der Namen Bulgakow (zweite Silbe) und Kundera (erste Silbe) gewettet, „um teure Flaschen“, schreiben Sie. Leider verschweigen Sie, dass ich auch die erste Wette gewonnen habe. Und damit eine Flasche Champagner.

Diese Wette haben Sie sogar eingelöst, bei der Lesung aus Ihrem Buch „Deutsches Theater“ im Berliner Deutschen Theater. Ich hatte bei der Lese-Premiere die eigenen Zitate gelesen. Und Sie hatten in die Garderobe die verlorene Flasche Champagner mitgebracht, „auch als Honorar“ vom Verlag, also eine Flasche als zwei mit einer Klappe.

Besonders falsch in diesem Zusammenhang ist die Geschichte, dass ich an dem Abend Rotwein über das Gästebuch geschüttet hätte über die Seite, in der (mit Tusche kunstvoll verziert) ausgerechnet eine Eintragung über einen ShakespeareAbend mit Corinna Harfouch stand. Ich sei nach dem Unfall zum Büfett geeilt, hätte Servietten vom Stapel gerissen, das Gästebuch damit abgetupft. Danach: „Man sieht doch gar nichts, sagt Karasek, und außerdem hätten die Mosaike in Pompeji sogar Vulkane überlebt. Die Literaturhausdame lächelt gequält, Welthumortag ist erst morgen.“

So sehr mir die Geschichte schmeichelt, eines an ihr ist schlicht falsch. Ich habe zwar hilfreich das Gästebuch abgetupft und den blöden Witz über Pompeji gemacht. Den Wein darüber gekippt hat aber ein ganz anderer. Erinnern Sie sich?

Herzlich und bis bald

Ihr Hellmuth Karasek

Benjamin von Stuckrad-Barres „Festwertspeicher der Kontrollgesellschaft“ ist diese Woche zum Preis von 12,90 € bei Kiepenheuer & Witsch in Köln erschienen.

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