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Jowita Sobolak (r) und Anne Pache sin Christiane Büchners Doku «Family Business».

© dpa/Real Fiction

Die Doku "Family Business": Die polnische Pflegerin

Christiane Büchners Dokumentarfilm „Family Business“ erzählt von Jowita und ihrer Familie in Lubin. Und von der deutschen Familie, in der sie als Altenpflegerin arbeitet.

Etwa 150 000 Frauen aus Osteuropa arbeiten derzeit als Betreuerinnen in privaten Haushalten in Deutschland – die meisten von ihnen aus Polen und in der Altenpflege. Ohne sie wäre das deutsche Pflegesystem längst kollabiert, doch auch die Wohlstandswünsche vieler Polen blieben ohne diese Arbeitsmigration auf der Strecke. Dabei gibt es viele illegale Beschäftigungsverhältnisse. Viele Helferinnen aber sind legal über professionelle Vermittlungsdienste angestellt, die meist zwei Frauen im Wechsel in einen betreuten Haushalt entsenden.

Eine solche Agentur vermittelt Jowita Sobolak nach einem Einführungskurs in Altenpflege aus dem westpolnischen Lubin nach Bochum. Hier wohnt die 88-jährige Anne Pacht; ihre Töchter sind mit der Sorge für die Mutter überfordert, die zwar noch nicht pflegebedürftig ist, aber auch nicht mehr selbstständig leben kann. Zwei Monate soll Jowita für diesen ersten Einsatz bleiben, dann wird sie durch eine Kollegin abgelöst. Doch schon diese Wochen erscheinen ihr in der fremden Umgebung unerträglich lang. Auch der bürgerlichen Deutschen aus der Kriegsgeneration ist die Polin, die sich „üppig“ Wurst und Käse übereinander aufs Brot legt, nicht besonders sympathisch.

Als gestandene junge Frau und Mutter ist Jowita gewohnt, ihren Alltag mit Power selbst zu gestalten. Und den materiellen Aufstieg ihrer Familie zu organisieren. Was Jowita mit ihren Auslandseinsätzen verdient, kommt dem Einfamilienhaus zugute, durch dessen Baustelle Jowita und ihr Ehemann Andrzej das Filmteam mit Stolz führen. Das Haus ist fast villenartig dimensioniert, nur wo die Designer-Einbauküche hin soll, steht noch rohe Wand. Anders als in Deutschland baut man in Polen am liebsten ohne Schulden. Während Jowita zum nächsten Bauabschnitt nach Deutschland muss, bleibt Andrzej mit der pubertierenden Tochter allein zu Haus.

Die Dokumentarfilmerin Christiane Büchner – 2008 verhandelte sie klug und unterhaltsam in „PereSTROIKA“ die Privatisierung einstiger Kommunalwohnungen in Russland – verknüpft erneut individuelle Lebensgeschichten, hier mit dem Blick auf die ökonomischen Strukturen in beiden Familien. Ein Jahr lang pendelt sie mit den Kameraleuten Justyna Feicht und Thomas Plenert zwischen Lubin und Bochum, mit dem Ergebnis einer so geduldig wie diskret erarbeiteten Studie ohne Sentimentalitäten oder Schuldzuschreibungen. Und, was ebenso sehr erfreut: Es geht auch ohne den bei solchen Themen üblichen sensationalistischen Aufdeckungs-Gestus.

In Berlin im Filmkunst 66; OmU: Acud, fsk, Krokodil

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