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Kultur: Die Einsamkeit des Lebkuchenmanns

OPER

Fabio Luisi, der vor drei Jahren beinahe Christian Thielemann an der Deutschen Oper abgelöst hätte,wusste genau, was die Aufgabe eines Chefdirigenten ist: Um das künstlerische Niveau zu sichern, so Luisi, sei es wichtig, dass der Chef nicht nur die Premieren absahne und sich die „großen“ Stücke von Wagner und Strauss sichere, sondern mit seiner Autorität auch dafür sorge, dass die älteren Stücke des Repertoires gut aufgeführt würden.

Aus Luisis Berufung wurde zwar nichts, doch auch Christian Thielemann scheint diese Weisheit jetzt zu beherzigen. Noch vor seiner ersten Saisonpremiere, Korngolds „Toter Stadt“ im Januar, dirigiert er ausgerechnet das Stück, dass im Repertoirebetrieb normalerweise am schlechtesten behandelt wird. Da bei Humperdincks „Hänsel und Gretel“ zur Hälfte Kinder im Saal sitzen, wird meist nicht allzuviel Geld und Mühe in die vorweihnachtlichen Vorstellungen investiert – Kinderliederhits wie „Suse, liebe Suse“ und „Ein Männlein steht im Walde“ ziehen auch ohne Operndiva. Doch Thielemann macht mit dem Lebkuchenmärchen Ernst, und das zahlt sich aus: Schon in der Ouvertüre breitet er genussvoll den wagnerianischen Orchestersatz aus und findet zu einem romantischen Märchenton: Da ist nicht nur Platz für Streicherzuckerguss und festliche Blechbläserchoräle, sondern auch für die dunkle Seite dieser Geschichte, für Waldeinsamkeit und Hexenverbrennung. (wieder: 7., 16., 19. und 26. Dezember) Zur urdeutschen Musik und zum urdeutschen Märchen hätten Lebkuchen und Lederhosen wohl am besten gepasst. Die nicht besonders inspirierte Inszenierung von Andreas Homoki liefert zwar Latzhosen, Clowns und Kinderbuchbilder im Stil der Achtziger, stört aber wenigstens nicht und lässt Ulrike Helzels burschikosem Hänsel und Sabine Ritterbuschs mädchenhafter Gretel genug Raum zum Herumtoben. Am Schluss allerdings bekommt Thielemann den stärksten Applaus. Sogar noch mehr als die Hexe. Das muss ein Dirigent erst mal hinkriegen.

Jörg Königsdorf

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