zum Hauptinhalt

Kultur: Die Erleuchtete

Zum Tod der Jazzpianistin Alice Coltrane

Von Gregor Dotzauer

Wer sie als Pianistin des letzten John Coltrane Quartetts in ihren eigenen Arpeggio-Wogen ertrinken hörte, hätte ihr niemals zugetraut, dass sie auch beinhart swingen konnte. Alice Coltranes Weg von der Gospelmusik ihrer Kindheit und dem Bebop der frühen Jahre gabelte sich in dem Moment, als sie 1963 ihrem musikalischen Erwecker und späteren Ehemann, dem Saxofonisten John Coltrane begegnete. Mit Drummer Elvin Jones, Bassist Jimmy Garrison und Pianist McCoy Tyner erkundete er damals noch die Grenzen eines modalen Jazz, den er mit „A Love Supreme“ auf einen grandiosen, auch spirituellen Höhepunkt führte. Doch allmählich versuchte er, sich auch von den letzten tonalen Verankerungen zu befreien. Das war der Moment, in dem Alice Coltrane ins Spiel kam.

Sie öffnete Tyners perkussive Blockakkorde in die Unendlichkeit eines mächtigen Flimmerns und schuf zusammen mit Rashied Alis’ nervösem Becken- und Trommelgeraschel das Geflecht, über dem Pharoah Sanders mit seinem Tenorsaxofon Überblasorgien feierte und John Coltrane leuchtende göttliche Anrufungsformeln hervorstieß – alles im Dienst einer inbrünstigen Religiosität, in der sich christliche, islamische, buddhistische und hinduistische Elemente mischten. Diesem Typus von Free Jazz (und dem Dunstkreis seiner Protagonisten) blieb sie als Pianistin, Harfenistin auch nach dem Tod ihres Mannes 1967 weitgehend treu – auch wenn sie sich mehr und mehr dem Hinduismus zuwandte.

Unter dem Einfluss des Gurus Sathya Sai Baba nannte sie sich schließlich Swamini Turiyasangitananda und betrieb in den Agoura Hills bei San Francisco ein eigenes Ashram. Jetzt ist Alice Coltrane, die Vertreterin einer „Universal Consciousness“, wie ihre berühmteste Platte von 1972 heißt, im Alter von 69 Jahren in Los Angeles gestorben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false