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Kultur: Die Farbe Gelb

Andres Müry eröffnet die Salzburger Festspiele

Wenn die Schönen und Reichen (oder auch nur Reichen) vor den Festspielhäusern vorfahren, streift Salzburg der Hauch des Wiener Opernballs. Bislang fehlte in der Hofstallgasse nur der rote Teppich. Wer heute Abend zur Eröffnung mit den Wiener Philharmonikern (Mozarts HaffnerSymphonie unter Daniel Barenboim) aus der Limousine steigt, setzt sein kostbares Schuhwerk auf gelben Asphalt mit seltsamen schwarzen Zeichen. Eine Kunstaktion? Gar vom teuflischen Jonathan Meese, der auch den zum Festspielbezirk führenden Neutor-Tunnel ausgestaltet hat?

Nein, ein Schildbürgerstreich, der Salzburg seit Wochen erregt. Zur Einweihung des neuen Hauses für Mozart sollte auch der Platz davor, für den nicht das Festival, sondern die Stadt zuständig ist, neu gestaltet werden. Von den diversen Plänen blieb nur die Idee eines jungen Architektenbüros, die Hofstallgasse sandgelb zu asphaltieren – als ironische Antwort auf das echte Blattgold und noch viel mehr falsches Gold am neuen Haus. Die Salzburger Steuerzahler nahmen die Sache, die sie fast eine Million Euro kostet, sportlich. Sie veranstalteten nachts Bike-Rennen und hinterließen Bremsspuren der fantasievollsten Art. Die Asphaltkunst – Hakenkreuze waren auch darunter – verband sich mit dem zu weichen Splitt-Mastix-Belag und ließ sich bis jetzt nicht entfernen. Dazu kommen malerische Inseln vom getrockneten Urin der Fiakerpferde.

Aufhalten wird die Affäre Gelb den Marathon aller 22 Bühnenwerke Mozarts nicht, als den sich die Festspiele heuer rekordmäßig präsentieren: An 40 Spieltagen werden 87 Opernvorstellungen gegeben, mehr als doppelt so viele wie in einem normalen Jahr. Doch Humor braucht insbesondere Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler angesichts der ruinösen Geldverschwendung der Stadt. Sie hat von den Bau- und Umbaukosten rund 40 Prozent – über 13 Millionen Euro – bei privaten Spendern akquiriert und hätte die Asphalt-Million gut gebrauchen können.

Noch etwas anderes erregte Ärger bei der Salzburger Geschäftsfrau. Energisch distanzierte sie sich von einer dreistündigen britischen TV-Dokumentation über die Festspiele, die Regisseur Tony Palmer in Salzburg präsentierte („The Salzburg festival – a brief history“, als DVD bei Lotus). Außer der Überlänge monierte sie eine Fülle sachlicher Fehler, wie den, dass Hitler 1938 zu den Klängen von Mendelssohns Hebriden-Ouvertüre in Salzburg einzieht: die sei damals als „jüdische Musik“ verfemt gewesen.

Palmer konterte, er habe solche paradoxen Gegenläufigkeiten bewusst eingesetzt, und beruft sich auf den wichtigsten Festspiel-Chronisten, den US-Kulturhistoriker Michael Steinberg. Der verweist in seiner Studie „Ursprung und Ideologie der Salzburger Festspiele“ (Verlag Anton Pustet, Salzburg) auf das tragische Paradox, dass es gerade Künstler jüdischer Abstammung wie Max Reinhardt und Hofmannsthal waren, die bei den Festspielen die katholisch-barocke Ideologie mit ihren totalitären Ingredienzien neu belebten. Aus ihr schöpften, so Steinberg, auch Hitlers „Reichsparteitage“.

Was den Protest der Präsidentin besonders pikant macht: Palmers Film wurde vom amerikanischen Unterstützerkomitee der Festspiele, den American Friends, finanziert. In dessen Board sitzt Donald Kahn, ein Hauptmäzen, ohne dessen 5-Millionen-Spende das Haus für Mozart nie in Angriff genommen worden wäre.

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