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Kultur: Die Fiktion der Fakten

SCHREIBWAREN Jörg Plath über Dichtung und Wahrheit Alles da diese Lesewoche: Jung und Alt, Produktion und Kritik, Anfänger und Lorbeer, Wirklichkeit und Fiktion. Sogar die „Häschenschule“: „Kann man Schreiben lernen?

SCHREIBWAREN

Jörg Plath über

Dichtung und Wahrheit

Alles da diese Lesewoche: Jung und Alt, Produktion und Kritik, Anfänger und Lorbeer, Wirklichkeit und Fiktion. Sogar die „Häschenschule“: „Kann man Schreiben lernen?“, lässt sich HansUlrich Treichel heute Abend im Literarischen Colloquium (20 Uhr) fragen. Treichel ist nämlich nicht nur einer der wenigen deutschen Spezialisten für Tragikomik („Der irdische Amor“, Suhrkamp), sondern auch Direktor des Deutschen Literaturinstituts in Leipzig, dem Nachfolger des Johannes R. Becher-Instituts, wo das Kreative Schreiben geübt wird. Die wohl bekannteste Absolventin heißt Juli Zeh. Vielleicht treten die drei Studenten, die unter den Augen von Direktor Treichel aus Texten lesen, einmal in ihre Fußstapfen: Nora Bossong, Gregor Runge und Martina Hefter („Junge Hunde“, Fest).

Junge Hunde, alte Säcke

Etwas gesetzter als diese jungen Spunde ist Bärbel Reetz . Nach ihrer klugen Emmy Ball-Hennings-Biografie erzählt sie in „Zeitsprung“ (Suhrkamp) von einer bundesdeutschen Ärztin, die zur Wendezeit in Prag ihren amerikanischen Geliebten Henry Goldstein und dessen Freund aus der DDR trifft, ohne den Goldstein die NS-Zeit nicht überlebt hätte. Die Ärztin lernt beider Geschichten kennen, und ihr kommt immer wieder die Liebschaft ihrer Mutter in einem kleinen Dorf am Ende des Zweiten Weltkriegs in den Sinn ( Podewil , 10.12., 20 Uhr). Zwei Geschichten, zwischen denen eine dritte spielt.

Erlebt oder erfunden? Mit der Wirklichkeit schlägt sich die Literatur seit ihrem Bestehen herum. Ohne sie geht es nicht, mit ihr allein auch nicht, wie beinahe alle Dokumentarexperimente gezeigt haben. „Fiktion und Fakten“ heißt das Thema im Literatursalon des DeutschlandRadio Berlin am 11.12. (Musikclub im Konzerthaus , 20 Uhr). Neben der Literaturwissenschaftlerin Gertrud Lehnert und Bruno Richard („Desaster", S. Fischer) sitzt F. C. Delius , der Romane zur Weltmeisterschaft 1954, zur Wende, zum Terrorismus sowie eine satirische Festschrift für Siemens („Unsere Siemens-Welt“) verfasst hat, über die der Konzern nicht lachen konnte. Die Prozesse hätten den Rotbuch Verlag damals beinahe in den Konkurs getrieben.

Ob die Berlin-Stipendiaten Steffen Popp , Alexandra Trancseni und Birgit Müller-Wieland , die das Literaturforum am 12.12. (20 Uhr) vorstellt, von so viel Resonanz träumen? Von ihnen weiß ich leider nichts. Ihre Themen dürften allerdings ungefähr dieselben sein wie die von Urs Widmer : „Das Geld, die Arbeit, die Angst, das Glück“ (Diogenes). Widmer stellt den Band mit vergnüglichen Glossen am 12.12. im Buchhändlerkeller vor (21 Uhr).

Kleines Geld, großes Glück

Giwi Margwelaschwili , 1927 als Sohn georgischer Flüchtlinge in Wilmersdorf geboren, wurde 1946 nach Ostberlin gelockt, in Sachsenhausen interniert und dann nach Georgien geschickt. Später durfte Margwelaschwili die DDR besuchen - bis er bei Wolf Biermann einkehrte. Adolf Endler, Rainer Kirsch, Elke Erb, Bert Papenfuß und Ekkehard Maaß feiern den 75. Geburtstag des spielerisch-philosophischen Erzählers („Der ungeworfene Handschuh“, Ruetten & Loening) im Theater unterm Dach (15.12., 11 Uhr).

Einer Zeitung bei der Arbeit zuzugucken, ist relativ langweilig: Die Leute hacken arhythmisch auf Computertastaturen herum, telefonieren, flirten, rauchen und trinken Kaffee wie in jedem Büro. Viel aufregender ist es im Kulturradio. Dort gehen Autoren und Verleger ein und aus, man plaudert vor dem Mikrofon, hört gemeinsam Musik und Buchkritiken und labt sich an Keksen und Glühwein. So schön kann die literaturkritische Arbeit sein! Überzeugen Sie sich: Am 15.12. produziert Radio Kultur die „Noten zur Literatur“ live im Literaturhaus . Zur Sendezeit natürlich: 17.05 bis 19 Uhr.

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