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Kultur: Die Intellektuellen haben Hunger

Terrassentexte & Nackensteaks: Sommerfest im Literarischen Colloquium

Da haben wir uns alle wieder getroffen zum jährlichen Gebratwurstel, wir Literaturbetriebsler, mit Appendix und ohne; schoben den Hang zum Wasser hinab und hinauf, wir Dichtel und Richtel, und lauschten in Rotunden Texten, in die der Wind fuhr. „Du auch hier?!“ Pausbacks Erstaunen. Und Umblick: Werd ich bemerkt? Kaum hatte er auf der Terrasse gelesen, lief Herr Neumeister einem Fotografen hinterher, zupfte ihn am Bürstel... äh: Objektiv, das sich aus purer Verlegenheit beschlug. Selten ward am Wannsee soviel Schönheit gesehen.

Sogar Herr Hamm – aus München – war gekommen. Herr Grünbein gab ihm denn auch die Hand. Frau Graf fragte, wann mein neues Buch erscheine, von dem die ganze Szene munkle. Von „ganz“ hatte ich bei der Szene nie was bemerkt; also schaute ich zu den Herren Hamm & Grünbein um Hilfe auf. Jener wurde darob jünger als dieser, jedenfalls physiognomisch. Die Sache war unheimlich.

Dazu kam die Sonne. Das Bier. Der Wein. Maiskolben, die nach Schweinswurst schmeckten. Der Döner zu vierfuffzich. Sowas gibt zu denken, man wird davon ganz verkopft. Ergo unterbrach hinterm Grillstand der Bräter sein Handy mit des Tages erkenntnisvollstem Satz: „Wir müssen Schluss machen, die Intellektuellen haben Hunger.“ Man konnte Kartoffelsalat kaufen und so genannte Nackensteaks. Diese Vokabel war so sinnlich, dass keine zehn Meter von ihr weg ein Pärchen übereinander herfiel, auf geliehenem Picknick-Deckchen. Man könne den Eindruck gewinnen, kommentierte Herr Aufenanger, die machten das extra. Doch kam es nicht zur Penetration; Herr Hage, der sich, Hunderten auch männlichen Frolleins trotzend, nirgends sehen ließ, tat Recht so: Die Renaissance der schreberschen Werte macht selbst – o mores! – vor Literaten nicht halt.

Leise seufzte Herr Schöffling „O Gott“, Herr Schlüter nahm mich beiseite und sprach auf mich ein, der wiederum ich nach Frau Cramer Ausschau hielt; schließlich musste ich diesmal auf Frau Radisch verzichten. Egal. Es wurde immer noch vorgelesen, Frau Riedel ist dagewesen, Herr Pastior und Herr Schmidt waren da und außer mir noch 207 andre N.N.s – ich meine, wenn Ihnen die Namen nichts sagen, dann hatten Sie am Samstag beim Gartenfest des LCB sowieso nichts verloren. Und auch, wer da war, hat nichts verpasst.

Zuletzt erschien von A.lban Nikolai Herbst der Manhattan-Roman „In New York“.

Alban Nikolai Herbst

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