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Kultur: Die Invasion vom Planeten Pop - Hans Mayer präsentiert Arbeiten des Künstlers

Von außen sieht das Ganze wie ein bunt bemalter Wohnwagen ohne Räder aus. Im Inneren wird es noch farbenfroher: Trotz diffuser Beleuchtung strahlen die Neonfarben nur so um die Wette, eine rotierende Diskokugel wirft Lichtflecken, deren Effekt der silberne Boden noch verstärkt.

Von außen sieht das Ganze wie ein bunt bemalter Wohnwagen ohne Räder aus. Im Inneren wird es noch farbenfroher: Trotz diffuser Beleuchtung strahlen die Neonfarben nur so um die Wette, eine rotierende Diskokugel wirft Lichtflecken, deren Effekt der silberne Boden noch verstärkt. Auch die Wände sind über und über mit Versatzstücken amerikanischer Alltagskultur beklebt. Dazu gibt es Easy Listening-Musik.

Kenny Scharf hat in der Installation "Closet" (220 000 Mark) einen dieser schönen begehbaren amerikanischen Wandschränke als schriller Schrein nachgebaut. Da sind bemalte Lampions, Puppen und viel Kinderspielzeug. Auch Fred Feuerstein ist mit von der Partie. Und ein großer Roboter, der aus Spielzeugautos und anderen Plastikabfällen zusammengebastelt ist. So ähnlich wie dieser Closet im "ausstellungsraum" von Hans Mayer Unter den Linden soll auch der echte Wandschrank von Kenny Scharf aussehen.

Kein Wunder, liebt es der 42-Jährige doch, sein Umfeld zu verändern - egal ob Toaster oder Staubsauger, alles wird bemalt oder beklebt. Ist dies nicht möglich, etwa in Hotels, müssen schon mal schlichte Luftschlangen herhalten, um den Raum wenigstens auf Zeit in ein adäquates Post-Pop-Art-Interieur zu verwandeln. Die bunten Papierschlangen tauchen hier und da auch in seinen Bilder auf. Dann ähneln sie jedoch wie in "XR 7" (120 000 Mark) eher einem Darm oder einer Pipeline in Rot, wie man sie von einer bekannten Cola-Marke kennt.

Seine großformatige Serie "Heads" hat Scharf ursprünglich für ein Chicagoer Museum gemalt. Wollte man sie mit nach Hause nehmen, wären 700 000 Mark fällig. Doch ins Schlafzimmer passen die neun Köpfe sowieso nicht, denn sie sind nur zusammen zu haben und mit drei mal 45 Metern dann doch ein bisschen zu groß. Vielleicht liegt es an diesem riesigen Format, dass auf den ersten Blick der Gedanke an die schnelle Farbspraydose aufkommt. Aber Kenny Scharf malt mit Pinsel. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er mit Graffiti-Künstler Keith Haring befreundet war und sich die beiden Anfang der achtziger Jahre ein Apartment - natürlich mit begehbarem Wandschrank - geteilt haben.

Scharfs knallig bunte Köpfe kommen wie aus einem surrealen Zeichentrickfilm daher. Mal erinnern sie an aufgeblasene Plastikmonster mit weit aufgerissenem Maul, mal an aufsteigende Schnörkel oder Kaugummiblasen mit einem Auge. Seine absurden Geschöpfe scheinen in den unbekannten Weiten des Weltalls zu fliegen: Überall Kometen, Sterne und Galaxien. Die Präsentation in goldenen Rahmen erzeugt überdies die Illusion von Fenstern. Die Galerie wäre dann das Raumschiff, und man selbst schaute in einen surrealistischen Kosmos.

Auch sonst erkennt man den Einfluss der omnipräsenten Fernsehkultur. Vor allem die Kultserie "Raumschiff Enterprise" liefert eine eigene Ikonografie: Die sechziger Jahre mit ihrer Aufbruchstimmung Richtung Mond und quer durch die Galaxie, aber auch die Arbeiten von Warhol und Lichtenstein prägten Scharfs Generation. "Aufzuwachsen, während das Weltraumzeitalter geboren wurde, fand ich spannend", so der Künstler. "Damals hieß es, man könne sich 1984 eine Fahrkarte kaufen und zum Mond fliegen." Jetzt schreiben wir das Jahr 2000, und Science Fiction hat längst alle Bereiche der Massenkultur durchdrungen, aber zum Mond kann der Pop-Surrealist immer noch nicht fliegen. Also reist das "Fernseh-Baby" anders, kramt in seinen Bildspeichern voller Comics, Werbung und Seifenopern, und produziert seine Bilder, die poppig sind, weil die Pop-Art in seinem "Unterbewusstsein steckt."ausstellungsraum Hans Mayer, Unter den Linden 42, Eingang Ecke Neustädtische Kirchstraße, bis 31. März; Dienstag bis Freitag 11-19 Uhr, Sonnabend 10-16 Uhr.

Andreas Hergeth

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