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Kultur: Die Koranleserin

Packend: „Yasmin“ – das Drama einer Ausgrenzung

Eine Liebe hat höchstens zwei Chancen. Zwischen Yasmin und John ist die erste verspielt, als der Engländer erfährt, dass die junge pakistanische Frau, mit der er in einem Heim für behinderte Kinder zusammenarbeitet, verheiratet ist. Für Yasmin bedeutete die Ehe mit ihrem Cousin aber nur eine lästige Pflicht gegenüber der Familie, die dem ein wenig närrischen Mann zu einer Aufenthaltserlaubnis verhelfen wollte. Als Yasmin (Archie Panjabi, bekannt durch „East is East“) und John (Steve Jackson) einander zufällig wieder begegnen, erzählt Yasmin, sie sei nun geschieden. John lädt sie in ein Café ein, doch sie erwidert: „Komm mit in die Moschee.“

Das wird John niemals tun, warum sollte er auch. Er mag die Frau, nicht ihre Herkunft. Jeden Morgen, wenn sie den strengen Blicken des Vaters und der Nachbarn entkommen war, streifte sie am Straßenrand die Kleidung einer modernen Frau über. Mit John hat sie sogar mal in einer Kneipe Alkohol getrunken, der ihr schlecht bekam. John bekannte sich trotzdem nicht sonderlich zu ihr – vor allem nicht, als die Kolleginnen nach dem 11. September von Yasmin abrückten und man Pakistani auf der Straße beschimpfte.

Yasmin und John sind Symbolfiguren für die muslimische und die westliche Welt. Eine Zeit lang kam man sich näher, dann zerbrach die Liebe unter einer Welle von Hass und Wut. Kenny Glenaan, Schüler von Ken Loach und Mike Leigh, findet in seinem zweiten Spielfilm „Yasmin“ eine ergreifende, sinnbildhafte Geschichte für den absurden Sieg der Gesinnungen über das Gefühl.

Das Drehbuch schrieb Simon Beaufoy („The Full Monty“, „Among Giants“). Wieder konstruiert er eine glasklare Handlung, deren plötzliche Wendungen bestürzen. Den Drehpunkt bildet das überfallartige Eindringen der Polizei in Yasmins Wohnung. Falscher Verdacht gegen den Ehemann – auch John gerät ins Visier, weil er gerade Yasmins Küche aufräumt. Die verstörte Frau findet sich für Stunden in einer kahlen Zelle wieder, auf deren Pritsche der Koran liegt. Nie zuvor hat Yasmin darin gelesen, nun schlägt sie das Buch auf. Ob sie damit „sich selber“ findet, wie die Ökumenische Jury auf dem Filmfestival von Locarno ihren Preis begründete, bleibt indes fraglich.

Glenaan und Beaufoy machen sich die Blickweise muslimischer Immigranten überzeugend zu Eigen. Da ist der sich an die Tradition klammernde Vater (Renu Setna), da ist Yasmins hitzköpfiger Bruder Nasir (Syed Ahmed), der mit Drogen handelt, dann aber bei den islamischen Glaubenskämpfern seine Bestimmung findet: „Sie haben uns den Krieg erklärt.“ Nasirs Satz geht unter die Haut.

Broadway, Central, Filmtheater Friedrichshain, fsk (OmU)

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