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Kultur: Die Kraft der zwei Ichs

Maxi Obexers „Wenn gefährliche Hunde lachen“.

Mit ihrem Roman „Wenn gefährliche Hunde lachen“ wagt Maxi Obexer ein doppeltes Experiment. Die Südtiroler Autorin zeichnet den Weg der Nigerianerin Helen nach, die sich auf den Weg nach Europa macht, um ihren Traum von Freiheit und Bildung leben zu können. Ein mutiges Unterfangen, für Helen ohnehin. Aber auch für Maxi Obexer, die über ein Leid schreibt, von dem sie nur eine unzureichende Vorstellung haben kann. Zudem wählt sie mit ihrer Mischung aus Brief- und Dialogroman eine ungewohnte literarische Form.

Helen verlässt Familie und Heimat, ohne Opfer von Kriegshandlungen oder direkter diktatorischer Repressionen gewesen zu sein. Sie vertraut allein auf ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Aber noch während ihrer Reise lernt sie, dass Vertrauen ein Gut ist, mit dem sparsam umzugehen ist. Helfer stellen sich als Gangster, Freunde als Profiteure heraus. Ben, den Helen kennen- und lieben lernt, verstrickt sie gezielt in den Teufelskreis aus Geldnot – für die teuren Schlepperdienste – und Prostitution. So entwickelt sie, eine offene und intelligente junge Frau, ein anderes Ich, das die Erfahrungen des Verrats und der Demütigung in sich aufnimmt und die ursprüngliche Persönlichkeit zu überlagern droht. Auf dem Weg an ihr Ziel schreibt sie in Briefen an die Familie von ihren Erfahrungen. Die Eltern lesen allerdings von einer anderen Wahrheit, als Helen sie erlebt. Aus dem Bordell in Tanger teilt sie mit: „Liebe Eltern, es geht mir gut. Ich verdiene Geld zum ersten Mal, viel Geld sogar, und es wird von Tag zu Tag mehr. Die Dinge geschehen, wie ich sie gewollt habe.“

Obexers Kunstgriff, die Geschichte dieser Flucht in Briefen und Dialogen, in Rückblenden und Zukunftsvisionen zu erzählen, macht diesen Roman sehr lebendig. Er führt aber auch dazu, dass diese Geschichte zu der sehr persönlichen einer Wanderung und Wandlung wird. So gerät „Wenn gefährliche Hunde lachen“ nicht in die Gefahr, einer millionenfachen Tragödie gerecht werden zu müssen. Trotzdem bezieht Maxi Obexer mit ihrem Roman merklich Stellung. Dabei nimmt sie in Kauf, dass manche ihrer Figuren eher wie Exempel denn als Individuen Helens Weg kreuzen. In der Gesamtheit jedoch ist Maxi Obexer ihr Experiment inhaltlich genauso wie formal gelungen. Dennis Grabowsky

Maxi Obexer:

Wenn gefährliche Hunde lachen. Roman.

Folio Verlag,

Wien/Bozen 2011.

168 Seiten, 22,90 €.

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