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Kultur: Die letzte Diva

Ihr Lachen ist eine Melodie: Nina Simone wird 70

Allein wegen ihres Lachens muss man sie lieben. Auf dem Album „In Concert“ aus dem Jahr 1964 ist dieses Lachen zu hören: Es klingt kehlig, übersprudelnd und nur ein ganz bisschen kokett. Nina Simone hat ein Kinderlied angestimmt, ein Singalong zum Warmwerden mit dem Publikum, aber dann patzt sie. Immer wieder branden die Klavierakkorde heran, jetzt müsste die nächste Strophe beginnen, aber da ist nur ein Loch, und in dieses Loch hinein raunt Simone: „Oh, I forgot my lyrics. I really did.“ Sie dehnt die Vokale, als wären sie aus Kaugummi – I reeeaaly diiid -, und man könnte das gespreizte Gestammel für Scat-Gesang halten, im vergessenen Text sozusagen den eigentlichen Text entdecken, wenn da nicht dieses Lachen wäre. Die Sängerin prustet los und erobert damit die Herzen ihrer Zuhörer. Am Ende lacht der ganze Saal. Und dann fällt Simone der Text wieder ein.

Nina Simone gehört zu den großen Jazzsängerinnen, auch wenn der Jazz bei ihr immer ein wenig unernst wirkt. Ihrer Stimme fehlt der tragisch-abgründige Blues einer Billie Holiday und die klassizistische Kühle einer Ella Fitzgerald, das ist ihre Stärke. Deshalb kann sie „To Love Somebody“ von den Bee Gees oder Leonhard Cohens „Suzanne“ genauso überzeugend interpretieren wie „Mackie Messer“ von Brecht/Weill. Zu ihrem Beruf fand die in North Carolina aufgewachsene Tochter aus armer siebenköpfiger Familie der Legende nach per Zufall. Als sie 1954 einen Job als Kellnerin in einer irischen Bar in Atlantic City antrat, sagte der Inhaber, dass bei ihm die Bedienungen auch singen müssten. Fünf Jahre später hatte Simone mit Gershwins „I Love You Porgy“ den ersten Hit und wurde in die New Yorker Carnegie Hall eingeladen. Die RCA baute die Frau mit der ungemein variablen Stimme zum Star auf, es folgten Erfolge wie „I Put A Spell On You“ und „Don’t Let Me Be Misunderstood“, das die Animals coverten.

Am 15. September 1963 starben vier schwarze Mädchen bei einem Bombenanschlag weißer Rassisten auf eine Baptistenkirche in Birmingham. Das Datum wurde zu einem Wendepunkt in Nina Simones Leben. Sie schreibt die Agitpop-Ballade „Mississippi Goddam“ und erklärt öffentlich, dass Schwarze nicht länger bereit sein sollten, auch die andere Wange hinzuhalten. In ihrer 1991 erschienenen Autobiografie wird sie sich später erinnern: „Ich war eine Frau mit schwarzer Haut, in einem Land, wo man allein aufgrund dieser Tatsache umgebracht werden konnte.“ Aus der als „Hohepriesterin des Soul“ gefeierten Sängerin wird eine Aktivistin, dann kommt der Absturz. 1974 flieht sie aus Alkoholismus und zerütteter Ehe zunächst nach Barbados, dann nach Afrika. Anfang der Neunzigerjahre gelingt das Comeback, mit der alten Nummer „My Baby Just Cares For Me“. Ihren 70. Geburtstag feiert Nina Simone heute auf ihrem Anwesen in Südfrankreich. Sie soll an einem neuen Album arbeiten, das „Simone Superstar“ heißen wird.

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